In acht Bundesländern sind Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag gegen die „Reichsbürger“-Szene vorgegangen. Insgesamt seien unter Federführung der Generalstaatsanwaltschaft München und des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord 21 Wohnungen durchsucht worden, teilten die Behörden in München mit. Den 20 Beschuldigten wird unter anderem die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Sie sollen beispielsweise versucht haben, ganze Behörden mit massenhaften Anrufen und E-Mails lahmzulegen. Zudem wurden Behördenmitarbeiter massiv beleidigt und bedroht.
Schwerpunkt der Durchsuchungen war mit zehn Objekten Baden-Württemberg. In Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein seien jeweils zwei Objekte, in Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen jeweils ein Objekt durchsucht worden. Die Beschuldigten verabredeten sich zu ihren Vorhaben in mehreren Kanälen des Messenger-Dienstes Telegram, die von den Behörden seit Anfang 2021 beobachtet werden. Der Betreiber dieser Kanäle sei bereits im November 2021 festgenommen worden, es handle sich um einen 58-Jährigen aus Olching. Im April 2022 sei Anklage gegen ihn erhoben worden, das Verfahren laufe noch.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, „Reichsbürger“ könnten nicht nur „skurrile Spinner“ sein, sondern auch gefährliche Straftäter. Die Beschuldigten seien zwischen 25 und 74 Jahre alt, bundesweit seien 280 Einsatzkräfte eingebunden gewesen, darunter auch mehrere Spezialkräfte, erläuterte er. Es sei etliches Beweismaterial sichergestellt worden, das nun ausgewertet wurde, darunter Datenträger und Reizstoffgeräte sowie eine Schreckschusswaffe. Echte Waffen wurden nicht gefunden. Zu Übergriffen ist es laut den Erkenntnissen der Ermittler aus der Gruppe bislang nicht gekommen, sagte Herrmann.
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sagte, die beschuldigte „Reichsbürger“-Gruppe habe „in großem Stil“ staatliche Einrichtungen beleidigt „und teilweise massiv bedroht“. Die Absprachen hätten alle über das Netzwerk Telegram stattgefunden. „Wir müssen solche Dienste stärker kontrollieren“, forderte er. Die Staatsanwaltschaft werde nun in jedem Einzelfall prüfen, ob ausreichende Beweise für eine Anklage vorliegen. „Wer unseren Rechtsstaat leugnet und die Grenze zum Strafrecht überschreitet“, müsse jederzeit mit einem unangemeldeten Besuch von Polizei und Staatsanwaltschaft rechnen, erläuterte der Justizminister.
Herrmann zufolge sind die bayerischen Sicherheitsbehörden bei „Reichsbürgern“ äußerst wachsam. Ende 2023 galten in Bayern 5.549 Personen als „Reichsbürger“, 189 Personen mehr als Ende 2022. Bis zu 470 Anhänger zählten zum „harten Kern“, erläuterte Herrmann, 450 Personen gelten als gewaltorientiert. Letzteres schlage sich „in der Mehrzahl in Erpressungsdelikten oder in gewaltbefürwortenden Äußerungen“ nieder. (00/3818/23.11.2023)