Fachleute sehen eine Krise bei der mentalen Gesundheit junger Menschen. In vielen Fällen würden Beschwerden jedoch abgetan, sagt eine Forscherin. Dabei wären vorbeugende Maßnahmen besonders wichtig.
Depressionen bei jungen Menschen werden nach Worten einer Bindungsforscherin oft nicht erkannt. Beschwerden würden mitunter als “typisch Jugendzeit” abgetan, sagte Manuela Gander am Donnerstag bei einer Online-Presskonferenz der European Depression Association. So sagten viele Betroffene, dass sie schon lange das Gefühl hätten, dass etwas nicht stimme, sie aber nicht gewusst hätten, was dieses Gefühl genau sei.
Eine Depression zeige sich bei Kindern oder Jugendlichen oft anders als bei Erwachsenen, erklärte Gander. Reizbarkeit, aber auch Symptome wie Kopf- und Bauchschmerzen stünden bei jungen Menschen stärker im Vordergrund. Oft fielen entsprechende Veränderungen, ein sozialer Rückzug oder nachlassendes Interesse zunächst nahen Bezugspersonen der Betroffenen auf.
Andererseits dürften Diagnosen nicht zu früh gestellt werden, sagte Psychiater Detlef E. Dietrich: Gerade im Kinder- und Jugendalter seien Symptome oft unspezifisch. Die Entstehung von Krankheiten sei “so komplex, dass man genau hinsehen muss”.
Insofern seien vorbeugende Angebote wichtig, betonte Gander. “Bei depressiv erkrankten jungen Menschen steigt die Gefahr für Selbstverletzung, Essstörungen, Probleme in der Schule oder auch einen Abbruch der Ausbildung.”
Lehrkräfte könnten in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle spielen, sagte die Forscherin von der Universität Innsbruck. Sie könnten einerseits Veränderungen an Schülerinnen und Schülern bemerken, andererseits vertrauten diese sich ihnen oft an.
Gander verwies auf das Pilotprojekt GetFit4MentalHealth, über das derzeit Lehrkräfte in Tirol fortgebildet würden. Das Ziel sei, dass bereits in der pädagogischen Ausbildung über Anzeichen und Gegenmaßnahmen ausgebildet werde. Zugleich sollten junge Menschen lernen, wie sie sich besser entspannen und mit Krisenmomenten umgehen könnten.
Studien zufolge erleben 8 bis 10 Prozent der jungen Menschen einmal eine depressive Episode; jede Episode erhöht die Wahrscheinlichkeit, erneut depressiv zu werden. Insgesamt ist die Zahl der Betroffenen in den vergangenen Jahren massiv gestiegen, Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen.