Artikel teilen:

Psychologe: Auf andere zugehen statt Abschottung und Resignation

Begegnungen suchen und Toleranz gegenüber Andersdenkenden üben – dazu rät der Psychologe Stephan Grünewald. Eine der größten Ängste derzeit sei die vor einer gesellschaftlichen Entzweiung, sagte er am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin. “Die Leute spüren: Das Klima wird rauer, die Aggressivität steigt, die Positionen radikalisieren sich.” Um so wichtiger sei es, sich auch mit Menschen auseinanderzusetzen, die anders dächten als man selbst.

Angesichts der zahlreichen Krisen sprach der Gründer des Marktforschungsinstituts Rheingold von einer “Zombie-Mentalität”, die sich verbreite: Sorge und Ungewissheit seien nicht totzukriegen. Viele Menschen reagierten auf Kriege, Klimawandel und Inflation, indem sie einen “Verdrängungs-Vorhang” zwischen ihrer eigenen kleinen Welt und der “Welt da draußen” zögen. Im Bezug auf das persönliche Leben zeigten sich in Studien viele Menschen durchaus zuversichtlich und schilderten die Möglichkeit, im Privaten abzuschalten und Mut zu fassen.

Kraftquellen seien in vielen Fällen einerseits Bewegung und Entspannungstechniken, andererseits das Schaffen einer Wohlfühloase – im eigenen Zuhause oder im Urlaub. “In einer komplexen Welt wird das eigene Ich zum Drehpunkt. Überall, wo ich das Gefühl habe, ich habe die Dinge im Griff, da fühlen sich die Leute gut und aufgehoben”, erklärte der Experte. Eine wichtige Rolle spielten dafür auch Familie, Freundeskreis und Kollegenschaft: Es bildeten sich regelrecht “soziale Bollwerke”.

Ein Zusammenrücken könne dabei helfen, zu sich selbst zu kommen, betonte Grünewald. Abschotten und Resignation seien dagegen problematisch: “Man ist bereit, alle die, die anders denken, die anstrengend sind, auszusortieren.” Die Demokratie brauche den Perspektivwechsel. “Wenn wir nur in unserem Silo, in unserer Blase sind, dann haben wir keine Solidarität”, warnte er.