Endlich mal jemand, der zuhört und versteht – das tut gut, vor allem, wenn man sonst niemanden hat: So denken manche Menschen über ihren Therapeuten oder ihre Psychiaterin. Ein fataler Irrtum, warnt eine Expertin.
Therapeutische Beziehungen lassen sich nach Worten einer Psychiaterin nicht mit “echten anspruchsvollen und anstrengenden privaten Beziehungen” vergleichen. Vielmehr gebe es maßgebliche Unterschiede, schreibt Esther Pauchard in der Zeitschrift “Psychologie Heute” (Oktober-Ausgabe). Der Austausch mit einem Therapeuten sei im Idealfall zwar angenehm, dürfe jedoch “niemals alleiniger Behandlungszweck werden”.
Behandelnde träten den Patientinnen und Patienten in einer professionellen Rolle gegenüber, “quasi in Uniform”, so die Psychotherapeutin. Sie seien “nicht Klagemauer, nicht Zapfsäule, nicht Guru, nicht applaudierendes Publikum. Nicht Angehöriger, nicht Freund”. Die therapeutische Beziehung diene allein dem Zweck, eine psychische Krankheit zu behandeln – und sei “niemals privat”.
Mitunter kämen Menschen jedoch mit der Erwartung einer stets interessierten und verständnisvollen Person – und wenn diese “doch mal aufmüpfig werden sollten und mir Dinge sagen, die ich nicht hören mag, dann lass ich ihnen eine schlechte Bewertung da.” Es sei jedoch ein Missverständnis, wenn Menschen eine Therapie als Bühne auffassten oder sich an die behandelnde Person klammerten.
Wer Freundschaft suche, müsse selbst ein Freund sein, so die Expertin: “Wer gesehen und wertgeschätzt werden möchte, muss andere sehen und wertschätzen können, wer gehört werden möchte, muss zuhören können”. Dies sei in der “künstlichen Situation” zwischen Therapeutin und Patient anders; diese funktioniere “im Einbahnmodus”. Diese Beziehung könne authentisch sein, “aber nicht echt”.
Echte Beziehungen beruhten dagegen auf Gegenseitigkeit, betont Pauchard. “Sie sind kein Konsumgut, sie arten in harte Arbeit aus.” Diese Arbeit lohne sich jedoch, und sie wünsche ihren Patientinnen und Patienten “mehr als nur einen schalen Abklatsch von Freundschaft, mehr als eine zurechtgezimmerte Wellness-Konsum-Variante von Freundschaft”.