“Trauma”, das wird heute schnell gesagt, auch ohne Diagnose oder ernsten Hintergrund. Ein Psychiater erklärt, wie echte Traumafolgestörungen aussehen – und was Sprache mit Stigmatisierung zu tun hat.
“Traumatisiert” vom täglichen Stau oder Bahnchaos? Der Psychiater Frank Schneider wirbt um Verständnis dafür, dass Alltagssprache andere Erfahrungen beschreibt als Fachsprache. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) schilderte der Wissenschaftler ein anderes Beispiel: “Wäre mein Nachbar heute Nacht ums Leben gekommen, würde ich vielleicht sagen: ‘Der ist ermordet worden’, während ein Jurist präziser von Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge sprechen würde.”
Zugleich beobachte er eine regelrechte “Trauma-Welle”, so Schneider. “Alle fühlen sich traumatisiert. Es gab auch mal eine Zeit, in der sich viele depressiv fühlten oder meinten, ADHS zu haben.” Mit seinem Buch “Das erschütterte Ich”, das am Montag erscheint, wolle er über die Begrifflichkeiten aufklären. Anhand von 19 Fallbeispielen beschreibt der Professor und Psychotherapeut unterschiedliche Formen, Ursachen, Verläufe von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS); zudem erklärt er Fachbegriffe und nennt wissenschaftlich fundierte Möglichkeiten zur Behandlung.
Gegenüber Patientinnen und Patienten, die etwa unter Kriegserfahrungen oder den Folgen von Missbrauch in der Kindheit litten, sei es “eigentlich eine Frechheit”, alltäglichen Ärger als traumatische Erfahrung zu bezeichnen, sagte der Autor. Wenn es Menschen helfe, einmal Dampf abzulassen und zu jammern, sei das in Ordnung – meist sei es jedoch sinnvoller, ernsthafte Schwierigkeiten anzugehen und das eigene Leben in die Hand zu nehmen.
Besonders wichtig sei ihm, dass schwerkranke Menschen angemessene Hilfe bekämen. “Viele Betroffene von PTBS haben keinen Krankheitsbegriff für das, was sie erleben – und kommen nicht zu der Therapie, die sie bräuchten”, erklärte Schneider. Mit einer passenden Behandlung könnten sie jedoch wieder gesund werden.