Sie haben am Grenzzaun in Mexiko, auf einem Schiffsfriedhof in Griechenland und auf Dresdner Hochhausdächern konzertiert. Jetzt zieht es die Dresdner Sinfoniker in digitale Welten. Für ihr Jubiläumskonzert zum 25-jährigen Bestehen proben sie mit einem Roboter. Am 12. und 13. Oktober sind Konzerte im Festspielhaus Dresden-Hellerau geplant. Unter dem Titel „Robotersinfonie“ kommen zeitgenössische Werke zur Aufführung – nicht alle unter menschlicher Leitung.
Denn zum Teil werden die 16 Blechbläserinnen und Blechbläser sowie vier Schlagwerkerinnen und Schlagwerker ausschließlich von zwei oder sogar drei Roboterarmen dirigiert. Diese Fähigkeit haben sie vom Intendanten der Dresdner Sinfoniker, Markus Rindt, gelernt, der auch Initiator des Projektes ist.
Die Arbeit mit dem Roboter sei ein sehr langwieriger Prozess gewesen, sagt Rindt. Bei manchen seiner vorgezeigten Bewegungen hätten die Maschinen schlichtweg blockiert. Doch inzwischen seien sie in der Lage, sogar ein in Gruppen geteiltes Orchester durch komplexeste Werkpassagen und sehr unterschiedliche Tempi zu führen. Diese Fähigkeit besitze kein Mensch.
Für das Roboterdirigat hat Rindt viele Stunden im Labor bei Expertinnen und Experten des Exzellenzclusters „Zentrum für taktiles Internet mit Mensch-Maschine-Intraktion (CeTI)“ an der Technischen Universität Dresden verbracht. Der Sprecher von CeTI, Frank Fitzek, sagt: „Wir haben verschiedene Anläufe gebraucht, um den Robotern das Dirigieren beizubringen.“ Der Mensch behalte dennoch die kreative Kontrolle und das letzte Wort. Aber die Grenzen würden fließender.
Die Vision des Forschungsverbundes sei der Austausch von Fähigkeiten zwischen Mensch und Roboter. „Der Mensch macht vor, die KI optimiert“, sagt Fitzek, der Professor für Kommunikationsnetze ist. Spannend und relevant werde dies bei „Tätigkeiten, die der einzelne Mensch nicht allein schaffen kann, aber auch bei komplexen Arbeiten, bei denen ein hohes Maß an verlässlicher Präzision erforderlich ist“.
Das Roboterkonzert ist zugleich ein Geschenk, das Rindt seinem Orchester zum 25-jährigen Bestehen bereitet. Dazu teilt sich Dirigent Michael Helmrath das Podest mit dem dreiarmigen Industrieroboter. Die Maschinen haben sogar Dirigentenstäbe, die in verschiedenen Farben leuchten.
Dies helfe den Musikerinnen und Musikern, „ihrem“ Roboter besser folgen zu können, sagt Rindt. Dennoch brauche es eine enorme Konzentration auf die künstlichen Arme. Denn für einen Teil des Konzerts werden die Sinfoniker in drei Gruppen geteilt und auf drei Podien platziert. Die Musikerinnen und Musiker dürften dann nicht versehentlich auf einen anderen Roboterarm schauen. Zudem interagierten die Maschinen nicht wie Menschen. „Sie sind stoisch, machen einfach immer weiter“, sagt Rindt.
Den Impuls für das Orchester-Roboterprojekt hat der Dirigent bereits vor mehr als 20 Jahren bekommen. Bei einer Aufführung hätten Musikerinnen und Musiker gleichzeitig ganz verschiedene Tempi spielen sollen, aber nur ein Dirigent habe ihnen dabei helfen können, erzählt er. Rindt sah dort ein gewisses Defizit.
Es habe allerdings eine Weile gebraucht, bis er die Idee wieder herausgeholt habe. Anlass waren schließlich Gespräche mit wissenschaftlichen Experten. 2022 fanden Rindt und das Excellenzcluster CeTI der Dresdner Universität zueinander.
Rund 170.000 Euro hat das Dresdner Orchester in die „Robotersinfonie“ investiert, Fördermittel inklusive. Doch der größte Anteil liege bei den Expertinnen und -Experten von CeTI, sagt Rindt, ohne sie wäre das Projekt nicht möglich gewesen. Dieses Engagement sei unbezahlbar. Zur Uraufführung kommen nun unter Leitung der Roboter #kreuzknoten von Wieland Reissmann und vom Jazzpianisten und Komponisten, Andreas Gundlach, das Werk „Semiconductor’s Masterpiece“.
Für Orchesterchef Rindt ist klar: „Der Mensch wird immer besser sein als der Roboter, wir wollen auf keinen Fall den Menschen ersetzen.“ Doch mit dem Projekt würden „neue Horizonte eröffnet“. Er verbinde damit auch die Hoffnung, dass es Komponistinnen und Komponisten geben wird, die Stücke für Roboter schreiben und die mit den Maschinen arbeiten wollen.