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Pilot mit Friedensbotschaft

Das moderne Märchen vom kleinen Prinzen gehört zu den erfolgreichsten Büchern aller Zeiten. Sein Autor Antoine de Saint Exupéry betrachtete das Schreiben eher als Nebentätigkeit zum Pilotenjob. Er starb im Cockpit vor 75 Jahren.

„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“: Dieses Bonmot ist nicht nur Literaturkennern vertraut. Der kleine Prinz, der die weisen Worte spricht, hat mit seiner Geschichte über Freundschaft und Vertrauen schon Generationen von Menschen verzaubert. Erst vor vier Jahren brachte ein animierter 3D-Film das Geschehen wieder einmal in die Kinosäle. Die literarische Vorlage bleibt zeitlos – ihr Erfinder starb vor 75 Jahren, am 31. Juli 1944.

Antoine de Saint-Exupéry, geboren 1900, war französischer Berufspilot – und schrieb eher nebenbei. Dennoch war er schon zu Lebzeiten als Autor anerkannt. Bereits als Jugendlicher war er fasziniert vom Fliegen, im Wehrdienst wurde er zum Flugzeugmechaniker ausgebildet. Völlig mittellos begann er im Anschluss als Pilot bei Rundflügen über Paris zu arbeiten, 1925 verfasste er die Novelle „Der Flieger“. In den Folgejahren verfolgte er beide Karrie­ren parallel.

Als im September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, kehrte Saint-Exupéry von einer Reise zu seinem amerikanischen Verleger zurück. Er wurde eingezogen und war zunächst als Ausbilder, später bei Aufklärungsflügen tätig. In dieser Funktion erlebte er den Blitzangriff der Deutschen auf Nordostfrankreich mit. Ende 1940 reiste er erneut nach New York und verarbeitete die Kriegserlebnisse in „Pilote de guerre“ (1942) – einem Buch, das die Deutschen bald auf den Index setzen sollten.

In 180 Sprachen übersetztes Werk

Im April 1943 veröffentlichte der US-Verlag Reynal & Hitchcock die Erzählung „Der kleine Prinz“ zeitgleich auf Englisch und Französisch. Der französische Verlag Gallimard, bei dem Saint-Exupéery unter Vertrag stand, klagte – und verlegte zwei Jahre später, nach dem Tod des Autors, eine erste Auflage für Frankreich. Inzwischen wurde das Buch in 180 Sprachen übersetzt. Mit rund 100 Millionen Exemplaren gehört es zu den meistverkauften nichtreligiösen Werken der Weltliteratur.

Der Text enthält autobiographische Spuren des Autors. Der Erzähler, der der Titelfigur nach einer Notlandung in der Sahara begegnet, ist selbst Pilot. Der kleine Prinz unterdessen sehnt sich nach seiner Rose, die er zu spät als solche erkannt hat – ein Symbol für Saint-Exupérys Frau, die er in Frankreich zurückgelassen hatte. Insgesamt wurde das Buch als Kritik an Egoismus und Konsumstreben gelesen – und als Plädoyer für Phantasie, für das Festhalten an Mitmenschlichkeit und dem kindlich-unverstellten Blick auf die Welt.

Die philosophischen Alltagsbetrachtungen des kleinen Prinzen werden so oft in christlichen Gottesdiensten zitiert, dass sie schon als „fünftes Evangelium“ bespöttelt wurden. Dem gegenüber stehen Zeitgenossen, die das Werk immer wieder neu zu durchdringen versuchen. Wie der Vatikan-Experte Enzo Romeo zum Beispiel, der den Stoff 2015 neu ins Italienische übersetzte und mit Kommentaren zu biblischen Bezügen versah. 2014 begegnete der blonde Junge im grünen Mantel in der Görlitzer Weihnachtskrippe sogar der Heiligen Familie. Das Suchen sei dem kleinen Prinzen keineswegs fremd, erklärten die Initiatoren: Hier suche er das Jesuskind.

Sein erfolgeichstes Buch endet traurig, aber…

Neugierig bleiben, das Sehen und Fragen immer wieder neu lernen: In der heutigen, oft als hektisch und reizüberflutet beschriebenen Zeit streben danach viele Menschen. Manche Aussagen des kleinen Prinzen scheinen zukunftsweisender denn je, zum Beispiel: „Wenn man seine Morgentoilette beendet hat, muss man sich ebenso sorgfältig an die Toilette des Planeten machen.“ Inzwischen ist der kleine Prinz der Star eines eigenen Themenparks im Elsass, ein Asteroid ist nach seinem Heimatstern benannt, Theater und Museen widmen sich dem Stoff.

Sein Erfinder erlebte diesen Erfolg nicht mehr mit. Saint-Exupéry kehrte von seinem letzten Aufklärungsflug im Juli 1944 nicht zurück; ein Suizid des schwer depressiven Schriftstellers wurde ebenso wenig ausgeschlossen wie ein Abschuss oder ein technischer Defekt. Auch sein erfolgreichstes Buch endet traurig, der kleine Prinz verschwindet. Doch seine Botschaft bleibt: Am Ende steht die Bitte des Erzählers an seine Leser, weiter nach dem kleinen Prinzen zu suchen.