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Pfarrertag: Mehr Kommunikation gegen Vereinsamung und Antisemitismus

Der wachsenden Vereinsamung und Polarisierung in der Gesellschaft will die evangelische Kirche in Württemberg mit mehr Kommunikation entgegenwirken. Deshalb sollen thematische Gesprächsrunden in den Kirchengemeinden unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Positionen zusammenbringen, sagte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl am Montag am Rande des württembergischen Pfarrertags in Heidenheim. Als ersten Schritt müssten die Menschen wieder lernen, sich wenigstens in Ruhe zuzuhören und auch gegenteilige Meinungen wahrzunehmen.

Gegen die zunehmende Vereinsamung vieler Menschen helfen Gohl zufolge in erster Linie zwischenmenschliche Kontakte. In persönlichen Gesprächen in ihrem jeweiligen Umfeld sollten die Kirchenmitglieder zudem gegen den zunehmenden Antisemitismus angehen. In Ostdeutschland sei es die große Aufgabe der kirchlichen Gemeinden, Gesprächsplattformen und Orte der Begegnung zu schaffen, sagte der Religionssoziologe Detlef Pollack (Münster) vor den rund 450 evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrern. Denn insbesondere der „Verlust der Kommunikationskultur“ habe in den neuen Bundesländern die AfD gestärkt.

Gottesdienste sind für Pollack, der seit Jahren über die Entwicklung von Religiosität und Kirchenbindung in Deutschland forscht, nach wie vor die zentrale Mitte für Glaubensvermittlung und Religion. Wie Untersuchungen zeigten, habe Religion nur dann eine Zukunft, wenn sie kirchlich verortet ist.

Als Ursachen für den dramatischen Bedeutungsverlust von Religion und Kirche führte Pollack an, dass immer mehr Menschen das Vertrauen in die Kirche als Institution verloren hätten. Außerdem suchten sie im Rahmen einer größeren Selbstverwirklichung einen individuellen Umgang mit Religion oder ihrer Beziehung zu Gott. Bei den „großen Fragen des Lebens“ wie Hoffnung, Trost, Barmherzigkeit oder Vergebung könne die Kirche jedoch immer noch Orientierungen geben.

Vor einem Rückzug hinter die Kirchenmauern warnte Pfarrer Eckehard Möller (Dresden), Vorsitzender des Verbands deutscher Pfarrervereine. Kirche müsse sich auch in politischen Diskussionen immer mit der Frage zu Wort melden, „was würde Jesus heute sagen“.

Der Einsatz von KI könne für die Pfarrer keine Entlastung sein, sagte Pfarrer Ulrich Dreesman, Vorsitzender des Württembergischen Pfarrvereins auf einer Pressekonferenz. Denn Seelsorge sei ohne persönlichen Kontakt nicht möglich. Der Beamtenstatus der Pfarrer und Pfarrerinnen sollte Dreesman zufolge nicht in Frage gestellt werden. Diese Anstellungsform habe sich für den Pfarrdienst bewährt. Der Beamtenstatus gebe den Pfarrern die nötige Freiheit und Unabhängigkeit für ihren Dienst, der nicht vergleichbar mit einem kündbaren „Job“ bei einem Arbeitgeber sei, ergänzte Bischof Gohl.

Der Pfarrertag wurde vom „Evangelischen Pfarrverein in Württemberg“ organisiert. Der Verein, der 1871 in Stuttgart-Bad Cannstatt gegründet wurde, versteht sich als Interessensvertretung der württembergischen Pfarrerinnen und Pfarrer. Mit seinen rund 3.800 Mitgliedern ist er der größte evangelische Pfarrerverband in Deutschland. Der nächste württembergische Pfarrertag findet im Oktober 2026 im Rahmen des deutschen Pfarrertags in Stuttgart statt. (2599/13.10.2025)