Peter Wenzel hatte im Mai das angeschlagene Grimme-Institut als Interimsgeschäftsführer übernommen und konsolidiert. Im Januar übernimmt Cigdem Uzunoglu – und Wenzel hat wieder Zeit für seine eigentlichen Jobs.
Das Marler Grimme-Institut verlor nach heftigen Defiziten Ende 2023 nicht nur seine langjährige Direktorin Frauke Gerlach. Plötzlich stand das ganze Medieninstitut auf der Kippe. Doch es gab zum Glück Peter Wenzel.
Der Jugend- und Sozialdezernent der Stadt Datteln stammt aus Marl und ist dort für die SPD in der Lokalpolitik aktiv. Seine Heimatstadt vertritt er schon seit Jahren im Gesellschafterkreis des renommierten Medieninstituts, das 1973 vom Deutschen Volkshochschulverband gegründet wurde. Als es richtig ernst wurde, klopfte der Verband – bis heute Hauptgesellschafter des Instituts – bei Wenzel an. Gerlachs Vertrag lief am 30. April 2024 aus, zum 1. Mai übernahm Wenzel als Interimsgeschäftsführer.
“Es ist das Wesen eines katholisch sozialisierten Sozialdemokraten, die Not zu sehen und zu handeln”, sagt Wenzel dazu, warum er dem Ruf an die Institutsspitze folgte. Und es gibt keinen Zweifel: Der Mann meint das zugleich ironisch und zu 100 Prozent ernst. Den Job bei Grimme hat er ehrenamtlich gemacht, sich einen Tag pro Woche freigeschwitzt durch nicht aufgebrauchte Überstundenkontingente und Urlaub. “Natürlich ist das ehrenamtlich”, sagt Wenzel, “damit niemand sagt, ich tue das, um noch einen Euro nebenbei zu machen, was ja vielen Kommunalpolitikern vorgeworfen wird. Das war mir wichtig, nicht in irgendeiner Form hier Geld anzunehmen.”
Wenzel restrukturierte in den vergangenen acht Monaten das Institut. Personal wurde abgebaut, zwei Mitarbeiter schon 2023, weitere drei gingen oder gehen noch dieses Jahr. Der Haushalt ist nicht zuletzt dank des Verzichts der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf eine ihnen zustehende Tariferhöhung fürs Erste konsolidiert.
“Da waren viele unternehmerische Entscheidungen getroffen worden, die nicht hilfreich waren”, sagt Wenzel diplomatisch zur vorgefundenen Situation. Und dass “Restrukturieren natürlich immer auch heißt, Unangenehmes zu tun. Aber da bin ich prädestiniert für.” Schließlich hatte er schon den Kita-Zweckverband im Bistum Essen saniert. Damals gab es “kritische Rückmeldungen, Demonstrationen und moralische Vorwürfe. Das war schon eine schwierige Zeit.”
Gibt es hier irgendwelche Grenzen, was ist seine Richtschnur? “Das fußt auf der katholischen Soziallehre, die ich schon als identisch empfinde mit den Grundsätzen der Sozialdemokratie”, sagt Wenzel. Von Bischof Felix Genn, der 2008 von Essen nach Münster wechselte, habe er gelernt, “was Verlässlichkeit bedeutet und dass es nichts bringt, den Leuten irgendwas vorzumachen. Wenn man auch die schwierigen Stellen anspricht, kann man mehr erreichen, als wenn man etwas schönredet”.
Die alte Institutspolitik, bei der Gerlach Grimme hierarchisch führte und das Engagement nicht weniger Mitarbeiter eher bremste, hat Wenzel gestoppt. “Da war sofort mehr Entfaltungsmöglichkeit da.” Was er nicht ändern konnte, war die schwierige Finanzlage. Doch auch hier ging es um das Wagen: Der Grimme-Online-Award, 2024 eigentlich wegen der prekären Lage schon vor Wenzels Amtsantritt abgesagt, fand doch statt. Und weil die von ihm stark gepushte Entscheidung erst spät fiel, musste die Arbeit auch noch in kürzerer Zeit als sonst bewältigt werden. Es hat geklappt: Am 16. Oktober war die Preisverleihung – nicht mehr wie früher in der noblen Kölner Flora, sondern hübsch bescheiden, aber nicht weniger erfolgreich, im Marler Institut selbst.
Schwierige Stellen bleiben aber genug. “Die Nutzung von Arbeitszeit, die ist nicht optimal”, sagt Wenzel zum Institutsalltag, ohne als guter Vorgesetzter ins Detail zu gehen. Und dass “die Grundzüge des unternehmerischen Handelns” bei Grimme “nicht zu Hause” seien.
Während andere in fremden Branchen eher fremdeln, war Wenzel aus dem Stand selbstbewusst in die bunte Welt des Fernsehens und der Medien eingetaucht. “Es gibt Dinge, von denen ich weniger verstehe, auch das habe ich schon in der katholischen Kirche gelernt.” Seine ganz persönliche Grundhaltung sei heute: “Du kannst selbst nicht wissen, was der andere braucht. Aber es geht immer darum, die Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu wecken und ihnen freien Lauf zu lassen.” Von denen bei Grimme habe er dabei auch viel gelernt. “Da arbeiten tolle Leute, die haben es richtig drauf! Das habe ich denen auch so gesagt”, sagt Wenzel, der aber genauso schonungslos anspricht, was nicht klappt.
Das sei jetzt auch in den Gremien des Instituts angekommen, vor allem aus der Gesellschafterversammlung habe er viel Rückhalt, Zuspruch und direkte Unterstützung bekommen – und sogar neue echte Freunde gewonnen. Was im Umkehrschluss bedeuten könnte, dass das beim Aufsichtsrat und seinem langjährigen Vorsitzenden, WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn, anders aussah.
Und was kommt nun? “Jetzt schnauf ich erst mal durch”, sagt Wenzel, und dass es schon ein strammes Programm mit vielen Terminen und Telefonaten fast rund um die Uhr gewesen sei. Würde er sich das noch einmal antun? Wenzel überlegt keine Sekunde. “Wenn ich wieder gefragt würde, würde ich auch wieder helfen. Das kommt aus meiner katholischen Soziallehre.” Der Mann passt zu Grimme. Der Namensgeber des Instituts, der frühere preußische Volksbildungsminister und Rundfunkpolitiker Adolf Grimme, war schließlich ein evangelischer Sozialist.
Und weil Weihnachten ist, gibt es noch eine frohe Botschaft hinterher: Die Mitarbeitenden, die zur Rettung des Instituts auf ihre Tariferhöhung verzichten haben, bekommen immerhin einen gewissen Teil des Geldes als Zulage zurück. Wenzels Zeit als Grimme-Chef ist damit beendet. Zum 1. Januar 2025 übernimmt Cigdem Uzunoglu, bis Frühjahr 2024 Geschäftsführerin der Stiftung Digitale Spielekultur, die Regie in Marl.