Wer Gott vergisst, gefährdet die Freiheit: Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof sieht das Christentum als eine Wurzel für Freiheit und Verantwortung. Er fordert: Kirchen müssten ihren Freiraum mutig ausfüllen.
Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind nach Paul Kirchhof gefordert, das Christentum als eine der Wurzeln der deutschen Verfassung zu pflegen. Der Jurist und ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht erklärte am Donnerstag in der katholischen Wochenzeitung “Die Tagespost”, mit dem Grundgesetz sei es wie mit einem Baum: “Die Verfassung kann nur gedeihen, wenn diese Wurzeln nicht verdorren.” Kirchhof betonte, die Menschen seien verpflichtet, diese Voraussetzungen für das Gemeinwesen zu schaffen. “Oder, um in dem Baum-Bild zu bleiben: Wir müssen die Wurzeln hegen und pflegen.”
Der Staat schafft laut Kirchhof den Rahmen dafür, dass die Bedingungen für diese Pflege möglichst gut sind. Doch auf der anderen Seite erwarte er vom Menschen, “dass er sich durch Gewissensanstrengung sittliche Standards setzt, nach diesen Maßstäben handelt und dem Nächsten begegnet”, so der Jurist.
Diese Idee von Freiheit entspreche auch dem christlichen Menschenbild. “Nur wer frei ist, kann verantwortlich sein. Nur wer frei ist, kann schuldig werden. Nur wer frei ist, kann erlöst werden”, führte der Jurist aus. So wünscht der Staat sich laut Kirchhof einen Bürger, dem er vertraut: “Er vertraut auf seine Ehrbarkeit und seinen Anstand. Wenn alle Bürger nach diesen Maßstäben ihr Leben selbst gestalten, ihre Freiheit also als Freiheitsrecht verstehen, das auf den anderen und die Gemeinschaft abgestimmt ist, entsteht Gemeinwohl.”
Um die Wurzeln pflegen zu können, sieht der Jurist die Kirchen gefordert. Der rechtlich gewährleistete Freiraum für Religion und Kirchlichkeit müsse beherzt genutzt werden. Ob der Einzelne in der Lage sei, sich daran zu beteiligen, hänge von der Bildung ab. Nur wer mit seinen Eltern zusammen gebetet habe, komme einer Gottesbegegnung näher, erklärte Kirchhof. Und weiter: “Der Religionsunterricht ergänzt und vertieft diese Erfahrung. Er sollte vor allem existenzielle Fragen behandeln – das Denken über die eigene Existenz hinaus, das Geheimnis Gottes und seine Sichtbarkeit in Gleichnissen.”