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Partys und Fußball sind cooler

Jugendliche, so wird oft beklagt, haben zu wenig Möglichkeiten, sich in die Gestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfeldes einzubringen. Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings auch: „Viele spielen lieber Fußball oder machen Party“, sagt Laura Vogelsang. Die 16-Jährige engagiert sich seit einem Jahr im Jugendparlament (jupa) in Grenzach-Wyhlen im baden-württembergischen Landkreis Lörrach.

Vogelsang tut das mit viel Leidenschaft: „Ich will was verändern.“ Das Engagement im Jugendparlament bringt viel, meint die Realschulabsolventin: „Ich hab dadurch Teamfähigkeit gelernt.“ Einige Ideen wurden auch bereits umgesetzt. So gibt es seit zwei Jahren im Ort ein Volleyballfeld.

Doch warum fehlt es oft an Interesse für die Jugendparlamente? Sven Iversen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen, sieht die Erwachsenen in der Pflicht. Sie müssten sensibel mit jugendlichen Beteiligungsformen umgehen, damit kein Frust ausgelöst werde. Hörten Jugendliche wiederholt, dass ihre Forderungen aus finanziellen, rechtlichen oder praktischen Gründen nicht realisiert werden können, wenden sie sich irgendwann resigniert ab, so seine Erfahrung. Er wirbt für weitere, niedrigschwellige Beteiligungsformen: Zum Beispiel könnten Mädchen und Jungen in einem zeitlich begrenzten Beteiligungsprojekt in der Stadtentwicklung beraten. Es gehe darum, die Demokratiefähigkeit zu stärken. Jugendparlamente seien grundsätzlich sinnvoll, sagt Sven Iversen.

Laut Deutschem Kinderhilfswerk wird Jugendbeteiligung in Baden-Württemberg besonders großgeschrieben. 112 jupas gibt es hier – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Deutschlandweit existieren aktuell 612 Jugendparlamente. In Bayern sind es knapp 100. In Nordrhein-Westfalen 73. Hier schrumpfte die Zahl in den vergangenen Jahren leicht. Im Saarland hingegen verdoppelte sie sich von vier jupas 2018 auf nun acht. Wobei alle Zahlen laut Kinderhilfswerk nur auf eigenen Recherchen beruhen.

Die Organisation plädiert dafür, Jugendliche von Anfang an in den Aufbau eines Jugendparlaments als Teil einer „vielfältigen Beteiligungslandschaft“ einzubeziehen. Dessen Servicestelle „Starke Kinder- und Jugendparlamente“ bietet kostenfreie Startberatungen an. Die Effekte von Beteiligung seien nicht zu unterschätzen, so das Kinderhilfswerk: 83 Prozent derjenigen, die sich heute gesellschaftlich stark engagieren, taten dies bereits in ihrer Kindheit und Jugend.

Für grenzüberschreitende Jugendbeteiligung setzt sich das Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (Peace Research Institute Frankfurt – PRIF) ein. Im Pilotprojekt „Global House of Young Voices“, einem internationalen Jugendparlament, ging es im Mai 2024 eine Woche lang um die Frage, wie junge Menschen ihre Zukunft selbstbestimmt mitgestalten können. 51 Jugendliche aus elf Ländern und drei Kontinenten kamen dazu in Frankfurt am Main zusammen. „In Zeiten multipler Krisen und Konflikte sehen wir in einem solchen Austausch und Perspektivenwechsel einen ganz wichtigen Beitrag für mehr Verständigung“, betont Ursula Grünenwald, Pressesprecherin des PRIF.

Nicht jeder Teenager, sagt Laura Vogelsang, ist für die jupa-Arbeit geeignet. Dennoch sind sie und die anderen Gewählten enttäuscht, dass es diesmal für die Wahlen nur vier und damit so wenig Kandidaten gibt wie noch nie – für fünf freie Plätze. Wer von den vier Kandidaten nur eine Stimme bekommt, ist ins jupa gewählt – auch das ist Demokratie.

In Erlangen, wo die Jugendvertretung ebenfalls demnächst neu gewählt wird, haben die Jugendlichen tatsächlich eine Auswahl. Laut Robert Hatzold, Ansprechpartner des Jugendparlaments in der Erlanger Stadtverwaltung, ist das Interesse über die Jahre hinweg gleichgeblieben. Bei der vergangenen Wahl 2023 kandidierten 38 Teenager, etwa so viele wie 2018. Einen Peak gab es zu Beginn der Corona-Krise: 46 Jugendliche wollten ins Jugendparlament. Ende Oktober sind abermals 7.000 Jugendliche aufgerufen, 15 Interessenvertreter zu wählen. Gerechnet wird wieder mit um die 40 Kandidaten.