Sie sind gelb, grün, blau, rot, rosa oder schwarz: Auf den ersten Blick könnte man sie für Lampenschirme halten – so fröhlich sehen diese Urnen aus. Normalerweise verbindet man mit Sterben und Tod etwas Dunkles und Schweres. Zwei Frauen aus Regensburg wollen das ändern. Sie haben das Unternehmen „urnfold“ gegründet. Mit ihren selbstgefertigten Urnen stehen sie für einen neuen Umgang mit dem Tod und kreativen Formen des Gedenkens in der Bestattungskultur.
„Wir wollen nicht den Tod schöner machen. Es ist nichts Schönes daran, wenn jemand stirbt. Aber wir wollen den Umgang mit dem Thema schöner und zugänglicher machen“, sagt Kristina Steinhauf von „urnfold“. Sie wolle, „dass die Leute sich wieder aktiv mit dem Thema Tod befassen, sich einbringen und das Ritual der Beisetzung mitgestalten“. Den Bestattungsinstituten fehle es oft an „zeitgemäßen, alternativen Ideen, ohne konservative Symbolik“, sagt die 31-jährige Steinhauf. Sie hat perimortale Wissenschaften im Masterstudiengang an der Universität Regensburg studiert. Dabei geht es um alles, was das Thema Sterben, Tod und Schmerz betrifft.
Schon früh hatte Steinhauf Berührungspunkte mit dem Tod: Als sie 21 Jahre alt war, starb ihr Vater. Die Familie sollte eine Urne aussuchen. Keine der vom Bestatter angebotenen Urnen konnte sie sich als das letzte Zuhause für ihren toten Vater vorstellen. Deshalb baute sie selbst eine Urne aus Holz, berichtet die gelernte Geigenbauerin. „Ich habe damals festgestellt, dass mir das total viel in der Trauerbewältigung gibt – ihm noch etwas mitgeben zu können und selbst aktiv zu sein.“
Bei „urnfold“ sind 15 in Farbe und Papier sehr unterschiedliche Aschegefäße erhältlich. Das Papier stammt von der Bütten-Fabrik in Gmund am Tegernsee. Die Kollektion reicht von besonders ökologischen Papieren über spezielle Papiere aus Biermaische und Hanf bis hin zu Glanz- und Samtpapieren.
Auf Papier als Material seien sie gekommen, weil sich mithilfe einer Berg- und Tal-Faltung eine gewisse Stabilität herstellen lässt. Damit hat sich Katharina Scheidig während ihres Studiums beschäftigt. Die Stabilität des Papiers sei nur für kurze Zeit notwendig: In dieser Zeit erfahre die Asche-Kapsel eine emotionale und ästhetische Aufwertung. Aber anschließend solle sie rückstandslos und schnell wieder in den natürlichen Kreislauf übergehen, sagt die Kommunikationsdesignerin.
Doch nicht nur Nachhaltigkeit und Ästhetik haben es den beiden Frauen angetan. „Wir möchten die Angehörigen einbinden in die Gestaltung, ihnen mehr Selbstwirksamkeit im Trauerprozess vermitteln“, sagt Steinhauf. Mit Papier könne man alles machen, es beschriften, bemalen, perforieren und mit Blumen bestücken. „Ganz oft gibt es den Wunsch, Blumen als Dekoration hinzuzufügen“, sagt sie. Dieses Ritual lasse sich gut in eine Trauerfeier einbinden. So hätten Angehörige schon Zettel oder letzte Nachrichten mitgegeben oder das Lieblingsparfum einer Verstorbenen auf die Urne gesprüht.
Das Regensburger Start-up-Unternehmen „urnfold“ gehört, wie am Freitag bekannt wurde, zu den Gewinnern des German Design Award (GDA) 2024. Im Januar könnten Katharina Scheidig und Kristina Steinhauf eine weitere bedeutende Auszeichnung erhalten. Sie sind nominiert für den bundesweiten Wettbewerb „Kultur- und Kreativpilotinnen und -piloten“. Ihre Chancen stünden gut, sagt Steinhauf. (00/4011/08.12.2023)