Nach Einschätzung des Regensburger Palliativmediziners Michael Rechenmacher sind die Themen Tod und Sterben in vielen Familien noch immer ein Tabu. Eine „Kultur des darüber Sprechens“ existiere kaum, sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Weder würden Ehepartner miteinander, noch Kinder mit ihren Eltern darüber reden. Erst, wenn es ans Sterben gehe, werde das Tabu gebrochen. Meistens sei dann auf beiden Seiten, sowohl beim Patienten als auch bei den Angehörigen, „eine Erleichterung zu spüren“, sagte der Leiter der Palliativstation am Universitätsklinikum Regensburg, der beinahe täglich mit dem Tod konfrontiert ist.
Erstaunlicherweise nehme das Thema assistierter Suizid gesellschaftlich viel mehr Raum ein, die Begleitung eines sterbenskranken Menschen aber wenig, konstatierte er. „Bei der Geburt tut man alles, damit das Kind einen guten Start ins Leben hat. Beim Sterben fehlt das irgendwie.“ Rechenmacher zufolge gibt es ein biologisches Grundprogramm beim Sterben, das bei den meisten Menschen so oder ähnlich abliefe. Alles werde immer weniger, Essen und Trinken, der Mensch könne weniger, wolle mehr Rückzug und Ruhe, erläuterte er. „Irgendwann ist es dann mehr oder weniger ein Einschlafen, und der Kreislaufstillstand tritt ein.“
Die meisten Menschen bräuchten auch so gut wie keine medizinische Begleitung beim Sterben. Nur etwa 20 Prozent der Sterbenden hätten demnach deutliche Belastungen, weil sie schwer krank seien. Dafür gebe es die spezialisierte palliative Versorgung. „Niemand muss am Lebensende leiden“, sagte der Arzt. Die moderne Medizin ermögliche es, die meisten Symptome „bei einem vertretbaren Nebenwirkungsprofil“ unter Kontrolle zu bekommen, sodass die Patienten auch im Sterben möglichst lange wach sein könnten, sagte der Mediziner.
Das Wichtigste am Lebensende seien „menschliche Zuwendung, Geborgenheit und Vertrauen“, das habe er nach jahrelanger Erfahrung feststellen können. In der öffentlichen Debatte spiele zwar die Autonomie und die Selbstbestimmtheit am Lebensende immer eine herausragende Rolle. Für die meisten seiner Patienten aber sei oft viel entscheidender gewesen, „sich geborgen zu fühlen, zu wissen, dass sich jemand um einen kümmert“. (00/3086/17.10.2024)