Jungen in der Schule sollten nicht alle über einen Kamm geschert werden. Professor Thomas Rieske plädiert für individuelle Förderung statt Geschlechterklischees.
In der gesellschaftlichen Debatte um Jungen als Bildungsverlierer spricht sich Thomas Viola Rieske, Professor an der Evangelischen Hochschule Bochum, dafür aus, Jungen nicht als homogene Masse zu betrachten. “Es ist wichtig, dass man die Unterschiede von Jungen anerkennt”, sagte der Erziehungswissenschaftler am Dienstag im Morgenmagazin der ARD. Jungen, die nicht typische Interessen hätten, gingen im Schulalltag oft unter. Es sei aber besser zu versuchen, den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Rieske verneinte eine “Jungen-Krise” in der Bildungslandschaft. Seit den 1970er Jahren habe sich das Bildungsniveau von Jungen und Mädchen enorm verbessert. “Es gibt dabei Geschlechterabstände, die gewachsen sind, aber in den letzten 30 Jahren gleich geblieben sind”, sagte der Pädagoge. Zwar erreichten mit rund 55 Prozent mehr Mädchen als Jungen die Hochschulreife. “Wenn wir uns jetzt die 40- und 50-Jährigen heute anschauen, die vor 30 Jahren ihren Abschluss gemacht haben, würde ich sagen, sehen wir nicht, dass die Männer in der Erwachsenenwelt untergehen”, erklärte Rieske.
Statt etwa auf nach Geschlechtern getrennten Unterricht zu setzen, plädiert der Erziehungswissenschaftler dafür, Jungen von Männlichkeitserwartungen zu entlasten. Noch immer seien diese davon geprägt, dass Männer stark und Retter und Ritter sein sollten. Rieske: “Es ist wichtig, Jungs auch darin zu begleiten, sich damit auseinanderzusetzen, was es für Ideale gibt und was sie selbst gerne möchten.”
Ob Jungen in der Schulzeit besser gefördert und in ihren Bedürfnissen gesehen würden durch mehr männliche Lehrkräfte, bezweifelt Rieske. “Die Forschung zeigt da ein widersprüchliches Bild. Insgesamt spricht sie eher dagegen, dass einfach mehr Männer helfen würden”, sagte der Professor. Vor 100 Jahren habe es geheißen, es brauche mehr Frauen als Lehrer, damit Jungen fleißiger würden. Das habe aber “nicht ganz geklappt”, erklärte Rieske. Es brauche professionelle Pädagoge, unabhängig des Geschlechts. “Es wäre ein Problem, wenn man nur aufgrund seiner Geschlechtlichkeit Pädagoge wird”, sagte Rieske. “Da haben männliche Pädagogen mehr zu bieten.”