Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel wird mit dem Gerda Henkel Preis 2024 geehrt. Der heute 76-Jährige habe das Verständnis der neueren Geschichte Russlands, der Sowjetunion und des östlichen Europas „wesentlich geprägt“, erklärte die Jury am Dienstag in Düsseldorf. Zudem zeige Schlögel, „dass historische Urteilskraft und stetige kritische Selbstreflexion unerlässlich sind, wenn wir die Konflikte der Gegenwart angemessen verstehen wollen“. Der Preis ist mit 100.000 Euro dotiert und wird am 25. November in Düsseldorf verliehen.
Schlögels Werke würden persönliche Reiseerfahrungen und Alltagsbeobachtungen mit profundem historischem Wissen und scharfsinniger Analyse verbinden, erklärte die Stiftung. Auch wegen ihres unverwechselbaren literarischen Stils und ihrer Anschaulichkeit fänden sie „überall auf der Welt ein fasziniertes Lesepublikum“. Er arbeite zu Themen wie stalinistischem Terror und der sowjetischen Moderne, zu Zwangsmigration und der russischen Diaspora sowie zur Ukraine. 2023 habe er mit „American Matrix“ die Geschichte des 20. Jahrhunderts als eine Verflechtungsgeschichte der Imperien USA und Sowjetunion „ganz neu erzählt“, hieß es.
Schlögel, Jahrgang 1948, war von 1995 bis 2013 Professor für Osteuropäische Geschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und lehrte zuvor an der Universität Konstanz. Er ist Mitglied des 1952 neu in Deutschland begründeten Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste. Der emeritierte Professor wurde mehrfach ausgezeichnet, etwa 2004 mit dem Sigmund-Freud-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, 2016 mit dem Preis des Historischen Kollegs oder 2018 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse. Schlögel lebt in Berlin.
Die Gerda Henkel Stiftung vergibt den Preis für herausragende Forschungsleistungen seit 2006 alle zwei Jahre an exzellente und international anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Zuletzt hatte die US-Wissenschaftshistorikerin Lorraine Jenifer Daston die Auszeichnung 2022 erhalten.