Unter extremen Sicherheitsvorkehrungen will Indiens Premierminister Narendra Modi an diesem Montag in Ayodhya einen umstrittenen neuen Tempel zu Ehren des Hindu-Gottes Rama einweihen. Neben Tausenden Polizisten seien in der nordindischen Stadt Scharfschützen, Anti-Terror-Einheiten und Drohnenabwehrsysteme im Einsatz, berichten indische Medien (Sonntag).
Führende Oppositionsparteien wie auch Vertreter der vier großen hinduistischen Orden (Shankaracharyas) sagten unterdessen die Einladung der hindu-nationalistischen “Indischen Volkspartei” (BJP) gestellten indischen Regierung zur Teilnahme an dem Ereignis ab. Bei der Zeremonie handele es sich eindeutig um eine Veranstaltung der BJP und der “Nationalen Freiwilligenorganisation” (RSS), hieß es in einer Erklärung der oppositionellen Kongress-Partei. Die Einweihung des sich noch im Bau befindlichen Tempels sei offensichtlich aus wahltaktischen Gründen vorgezogen worden.
Regierungschef Modi strebt bei der Wahl im April eine dritte Amtszeit an. Die RSS oder ist ein mächtige paramilitärische hindu-nationalistische Organisation. Sie ist mitverantwortlich für sprunghaft gestiegene Gewalt gegen Muslime und Christen seit dem Amtsantritt Modis 2014.
Rama gilt als einer der Avatare des Gottes Vishnu und wird von seinen Anhängern als Brahman verehrt, die transzendente, unveränderliche Urkraft. Der neue Rama-Tempel steht an der Stelle der historischen Babri-Moschee, die 1992 von Hindu-Extremisten zerstört worden war. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen kamen damals mehr als 2.000 Menschen ums Leben.
Der Ort gilt in der hinduistischen Mythologie als jene Stätte, an der vor rund 900.000 Jahren der Gott Rama geboren wurde. Für den Bau der Babri-Moschee im Jahr 1528 durch den muslimischen Mogul-Kaiser Babur hätten die “islamischen Invasoren” den an der Stelle stehenden uralten Rama-Tempel abgerissen, so die Darstellung nationalistischer Hindus.
Basis der BJP und der RSS ist die Hindutva-Ideologie, nach der alle Inder Hindus sind. Der Führer der RSS, Mohan Bhagwat, sagte 2023 mit Blick auf die “fremdländischen” religiösen Minderheiten der Christen und Muslime: “Alle, die heute in Bharat [Indien] leben, sind mit der hinduistischen Kultur, den hinduistischen Vorfahren und dem hinduistischen Land verbunden.” Viele Menschen hätten dies verstanden; andere setzten es aufgrund von Egoismus nicht um, “selbst nachdem sie es verstanden haben”.
Die Zerstörung der Babri-Moschee und der Bau des Rama-Tempels gelten als Höhepunkt der hinduistischen Machtdemonstrationen gegenüber Indiens Muslimen und anderen Minderheitsreligionen. Die Einweihung des Tempels stelle die endgültige “Etablierung des politischen Hinduismus” und das Ende der Vision von Jawaharlal Nehru eines säkularen, liberalen Indien dar, wird der politische Analyst Ashutosh Talukdar in indischen Medien zitiert. Nehru (1889-1964) war ein politischer Weggefährte Mahatma Gandhis und der erste Premierminister Indiens nach der Unabhängigkeit von Großbritannien.