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Ökumene-Pastor in der Ukraine: “Niemand hier glaubt an Frieden”

Der Ökumene-Pastor Kai Feller aus Lübeck hilft Menschen vor Ort in der Ukraine. Nach fast drei Jahren Krieg haben die Menschen wenig Hoffnung auf Frieden.

Kai Feller mit Soldaten und den Hilfsgütern aus Deutschland
Kai Feller mit Soldaten und den Hilfsgütern aus DeutschlandKinderzentrum Cherson

“Fünf Kilometer von hier ballern die Russen” berichtet Kai Feller unaufgeregt. Der Ökumene-Pastor im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg startet das neue Jahr in der ukrainischen Frontstadt Cherson. In der Ukraine war der Familienvater schon häufiger. Seine Frau ist Ukrainerin. Als man noch auf die Krim reisen konnte, waren sie regelmäßig dort. Seit Kriegsbeginn vor knapp drei Jahren fährt der Pastor aus dem Norden jeden Winter einen Hilfs-Transport in das Land. An der Front ist er zum ersten Mal, wie er erzählt.

Gemeinsam mit dem Verein “Fellas for Europe” unterstützt sein Kirchenkreis unter anderem den Aufbau einer unterirdischen Schule für Kinder in Cherson. Auch die Nordkirche hat 12.000 Euro zu dem Projekt beigetragen. In der Schule sollen Kinder eines Kinderheims unterrichtet werden. Die Kinder kommen aus schwierigen Verhältnissen oder haben gar keine Eltern mehr.

Geisterstadt Cherson: Menschen bleiben trotzdem

Unterricht und ein normaler Alltag sind nicht mehr möglich. Das gilt für die ganze Stadt, wie Kai Feller erzählt. Trotzdem bleiben Menschen in Cherson. “Die Menschen sind hier zu Hause”. Sie seien glücklich, dass das ukrainische Militär die Stadt befreit habe, und wollten das Leben irgendwie aufrecht erhalten. Doch viel Leben herrscht in den Straßen in diesen Tagen nicht, wie Feller berichtet. Die Straßen seien leer, das wirtschaftliche Leben zum Erliegen gekommen.

Alle ukrainischen Kinder sind sich einig: Der Krieg soll 2025 endlich aufhören!
Alle ukrainischen Kinder sind sich einig: Der Krieg soll 2025 endlich aufhören!Kinderzentrum Cherson

Engagement und Idealismus brauche es, um die Situation auszuhalten, wie Feller sagt. Viel Hoffnung hätten die Menschen nicht: “Das Wort Frieden höre ich hier nicht”, so der Pastor. Auch die Kinder aus dem Heim, alle zwischen sieben und elf Jahre alt, mit denen Feller gesprochen hat, sprechen lieber davon, dass sie hoffen, dass der Krieg 2025 aufhört oder dass die Ukraine die Invasoren besiegt.

Forderung nach mehr Waffen für die Ukraine

Und Deutschland? Schaut zu, ärgert sich Kai Feller. “Ich kann dieses Gerede nicht mehr hören: ‘Wir stehen an der Seite der Ukraine'”. Von der Politik fordert er mehr Geld für Waffenlieferungen in die Hand zu nehmen. Sogenannte pazifistische Stimmen aus der Kirche kann der Geistliche nicht nachvollziehen. “Wenn wir nicht helfen, ist das unterlassene Hilfeleistung und damit unchristlich!”

Ein Bunker in Cherson wird ausgebaut für Klassenräume und Übernachtungsmöglichkeiten
Ein Bunker in Cherson wird ausgebaut für Klassenräume und ÜbernachtungsmöglichkeitenKinderzentrum Cherson

Er betont: “Niemand hier ist Waffen-Fetischist.” Im Gespräch mit Soldaten werde deutlich: Gerne kämpft hier niemand. Doch Russland habe einen “Vernichtungswillen” und wolle die Ukraine auslöschen, sagt Feller. Eine andere Chance als Verteidigung gebe es in seinen Augen nicht.

Ukrainer enttäuscht von US-Präsident Joe Biden

Dem Amtseintritt von Donald Trump in den USA sieht Feller vergleichsweise gelassen entgegen: “Die Ukrainer sind auch von Biden enttäuscht. Er hat zwar geliefert, aber ähnlich wie Deutschland immer nur so viel, dass die Ukraine nicht überrollt wurde.”

Die Verantwortung sieht der Ökumene-Experte vor allem bei Europa. “Wenn Deutschland seine Führungsrolle wahrnimmt, kann Europa einen Ausfall der USA wirtschaftlich und größtenteils auch militärisch kompensieren.”

Kinderheim-Direktor dankbar über Hilfe aus Deutschland

Neben Kai Feller sitzt der Direktor des sogenannten psychosozialen Kinder-Rehabilitationszentrums, Volodymyr Sahaydak. Als der russische Überfall 2022 losging, wollten die Russen die Kinder deportieren. Sahaydak sorgte persönlich dafür, dass die Kinder versteckt werden. Teilweise landeten sie auf Intensivstationen in Krankenhäusern oder in privaten Haushalten.

Kai Feller (Mitte) mit dem Leiter der regionalen Militärverwaltung von Cherson, Jaroslaw Schanko (li.), und dem Direktor des Kinderheims, Volodymyr Sahaydak
Kai Feller (Mitte) mit dem Leiter der regionalen Militärverwaltung von Cherson, Jaroslaw Schanko (li.), und dem Direktor des Kinderheims, Volodymyr SahaydakKinderzentrum Cherson

Volodymyr Sahaydak hat dabei selbst sein Leben riskiert, musste sich ebenfalls verstecken. Über die Hilfe aus Deutschland sei er sehr dankbar, erzählt er. Seine Familie unterstützt ihn bei seinem Engagement. So übersetzt die Tochter etwa Gespräche mit Journalistinnen und Journalisten sowie Organisationen.

Auch Volodymyr Sahaydak kann an Frieden nicht so recht glauben. Hoffnung setzt er allein in die ukrainische Armee. Seine Heimat zu verlassen, kommt auch für ihn nicht in Frage.