Artikel teilen:

NS-Zeitzeugin Peggy Parnass ist tot

Die deutsch-schwedische Journalistin, Schriftstellerin, Schauspielerin und NS-Zeitzeugin Peggy Parnass ist tot. Sie starb am Mittwochmorgen im Alter von 97 Jahren in Hamburg, wie Marina Jacob, Wegbegleiterin und langjährige Freundin von Parnass, dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) würdigte Parnass dafür, „ihr Leben dem Kampf gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung“ gewidmet zu haben. Sie sei „bis ins hohe Alter für Toleranz und Vielfalt“ eingetreten. Die evangelische Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs nannte Parnass in einem von der Nordkirche versandten Statement eine „unermüdliche Kämpferin für Gerechtigkeit“.

Das jüdische Mädchen Peggy Parnass war 1939 mit ihrem vierjährigen Bruder Gady mit einem der letzten Kindertransporte nach Schweden verschickt worden und so den Nationalsozialisten entkommen. Kurz vor Ende des Krieges kamen die Kinder zu einem Onkel nach London, der als einziger der Familie durch Flucht überlebt hatte. Die Eltern wurden im Lager Treblinka von den Nationalsozialisten ermordet. Als junge Frau kehrte Peggy Parnass nach Deutschland und in ihre Heimatstadt Hamburg zurück.

„Schauspielerin, Gerichtsreporterin, Shoa-Überlebende, Ikone der queeren Szene, neugierige, warmherzige und meinungsstarke Persönlichkeit, die sich stets für die Belange von Minderheiten einsetzte: Peggy Parnass war eine beeindruckende Frau und eine wichtige Stimme Hamburgs“, sagte Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). „Sie sprach und schrieb über das Unaussprechliche, mahnte kämpferisch, klagte Missstände an und wurde so zum Vorbild für viele.“

Kultursenator Carsten Brosda (SPD) sagte: „Als Publizistin, Schauspielerin und Aktivistin scheute sich Peggy Parnass in der Bundesrepublik nicht, mutig auch die Wahrheiten auszusprechen, die nicht gern gehört wurden.“ Als Gerichtsreporterin habe sie auf die Aufarbeitung der NS-Verbrechen gedrängt und sei „zur moralischen und antifaschistischen Instanz“ geworden. „Stets ein Freigeist und ohne Angst, anzuecken, setzte sie sich für eine offene und vielfältige Gesellschaft ein. Peggy Parnass hat viel und viele bewegt.“

Bürgermeister Tschentscher sagte über Parnass weiter: „Ihr unermüdlicher Einsatz für Demokratie, Toleranz und Mitmenschlichkeit sollte uns auch in Zukunft ein Vorbild sein.“ Bischöfin Fehrs sagte, sie werde „ihre klaren Worte und ihre liebenswürdige, warmherzige Art sehr vermissen“.

Parnass studierte in Stockholm, London, Hamburg und Paris. Einer breiten Öffentlichkeit wurde sie durch ihre Arbeit als Gerichtsreporterin der Monatszeitschrift „konkret“ bekannt. Sie arbeitete als Schauspielerin, Dolmetscherin und Übersetzerin und veröffentlichte mehrere Bücher, darunter „Süchtig nach Leben“ (1990), „Mut und Leidenschaft“ (1993) und „Kindheit: wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete“ (2012). Sie wurde unter anderem mit dem Fritz-Bauer-Preis, der Biermann-Ratjen-Medaille und dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland geehrt.