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Nicht alles so gut wie gedacht

Religionsunterricht hatte in den Klassenräumen der DDR nichts verloren, Kirchenvertreter zu Schulen keinen Zugang. Doch dann kam die Friedliche Revolution. Und damit die aufkeimende Hoffnung, auch in Ostdeutschland mit christlicher Bildung in den Schulen Fuß fassen zu können. Wirklich gelungen ist das bis heute nicht. Annekathrin Seeber, die Beauftragte für Religionsunterricht im Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree, zieht im Gespräch mit Monika Herrmann Bilanz. Sie erklärt, inwiefern die jahrelange DDR-Propaganda noch immer in vielen Elternköpfen nachhallt und warum der Begriff „Bibel“ bei vielen von ihnen auf Abwehrhaltungen stößt.

Religionsunterricht hatte in den Klassenräumen der DDR nichts verloren, Kirchenvertreter zuSchulen keinen Zugang. Doch dann kam die Friedliche Revolution. Und damit die aufkeimende Hoffnung, auch in Ostdeutschland mit christlicher Bildung in den Schulen Fuß fassen zu können. Wirklich gelungen ist das bis heute nicht. Annekathrin Seeber, die Beauftragte für Religionsunterricht im Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree, zieht im Gespräch mit Monika Herrmann Bilanz. Sie erklärt, inwiefern die jahrelange DDR-Propaganda noch immer in vielen Elternköpfen nachhallt und warum der Begriff „Bibel“ bei vielen von ihnen auf Abwehrhaltungen stößt. Wenn Annekathrin Seeber zurückblickt auf die letzten 25 Jahre Religionsunterricht an öffentlichen Schulen im Ostteil der EKBO kann sie viel erzählen: Positives und Negatives. „Es läuft auch nach 25 Jahren nicht alles so, wie es mal gedacht war“, sagt sie. Die Pfarrerin ist Beauftragte für Religionsunterricht im Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree und kennt dort alle 94 Schulen, in denen Religionsunterricht angeboten wird.

„Längst nicht in allen ist Kirche präsent“, sagt sie. Grund: Kein Bedarf, vor allem an Oberschulen, kein Interesse, die Eltern sind weit weg von Glaube, Religion und Kirche. „Im alten Osten sind die meisten Familien konfessionslos. Das ist auch 26 Jahre nach der politischen Wende noch so.“ Seeber zieht auf einer Karte eine Art Trennlinie zwischen Ost und West, die die Unterschiede markieren soll. Dazu kommt: Diejenigen, die zur Kirche halten, favorisieren manchmal ausschließlich das DDR-Modell „Christenlehre“. Es wurde in allen Gemeinden angeboten, weil Vertreter der Kirche zu den Schulen keinen Zugang hatten. Vor 25 Jahren gab es die große Wende in Sachen Religionsunterricht. Ein Deutschland und eine Landeskirche machten das nicht nur möglich, sondern auch nötig. In ihrem Büro in Lichtenberg erinnert sich Seeber: „Einige Pfarrer und Gemeindeglieder sahen in der Einführung des Religionsunterrichtes eine Chance.“ Sie erzählt, dass Katecheten in die Schulen geschickt wurden und eine Zusatzausbildung durchlaufen mussten. Die westlichen Lehrpläne sollten befolgt werden. Seeber fing selbst an einer Schule an. „Die Lehrer akzeptierten mich“, sagt sie. Das war nicht überall so. Vor allem an Grundschulen hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Viele nehmen bis heute am Religionsunterricht in der Schule teil und gehen nachmittags zur Christenlehre in die Gemeinde. „So wachsen die Kinder in die Gemeinde hinein“, so Seeber. Aber: „Es lohnt sich an vielen Schulen nicht, eine Lehrkraft anzustellen, die Gruppen sind zu klein, die Kirche kann die Arbeit nicht finanzieren.“ In Brandenburg ist die Situation noch schwieriger. Dort müssen Religionslehrkräfte an verschiedenen, oft weit auseinander liegenden Schulen unterrichten. Ein anderes Problem: Der Begriff „Bibel“ löst bei Eltern eine Art Gegenwehr aus. „Erzähle ich stattdessen, dass es im Unterricht um Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament gehen würde, sind sie deutlich aufgeschlossener“, sagt Seeber. Sie sieht den Grund in der 40-Jahre dauernden DDR-Propaganda, auch in der oft mangelnden Bildung vieler Eltern. Deshalb sprechen sie und ihre Kollegen sachlich und vorsichtig mit ihnen. „Wir informieren über das Bildungsangebot der Kirche, wozu auch die Information über andere Religionen und Kulturen gehört. Das kommt gut an.“ Der atheistische Lebenskundeunterricht des Humanistischen Verbandes ist an den meisten Grundschulen stark vertreten, „weil er bei vielen Eltern als neutral gilt – und neutral gilt als gut“. Bietet sich da nicht ein Unterricht an, der von den beiden großen Kirchen gemeinsam organisiert wird? Seeber ist dafür. „Bibel ist Bibel“ sagt sie. „Zumal die meisten Schüler konfessionslos sind.“ Aber? „Eltern wollen den Unterricht in der Konfession, in der sie verwurzelt sind.“ Die Pfarrerin kann sich vorstellen, dass es von den Kirchen gemeinsam verantwortete interreligiöse Projekte gibt, die alle ansprechen. Dann erzählt sie noch von einem sehr engagierten Religionslehrer, der mit Schülern der 11. Klassen vor kurzem nach Israel gereist ist. Ein positives Zeichen in schwierig gebliebenen Zeiten.