Im Freilichtmuseum Hessenpark wurde dieser “Tatort” gedreht. Leider wirkt er über weite Strecken auch genau so: museal, hölzern und einigermaßen leblos. Der Wiesbadener LKA-Beamte Felix Murot (Ulrich Tukur) ermittelt diesmal in der Vergangenheit, zur Figur des Nazi-Obersts Rother; Schauplatz ist ein hübsches hessisches Fachwerkdorf des Jahres 1944. Wie der “Tatort”-Kommissar dorthin gekommen ist, wird nicht weiter erklärt; selbstverständlich aber ist auch seine treue Kollegin Magda Wächter (Barbara Philipp) mit auf die Zeitreise-Partie gegangen in dem “Tatort: Murot und das 1000-jährige Reich”, den das Erste am 20. Oktober von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt.
Während Tukur/Murot hier den schillernden Rother gibt, einen “Kriegshelden” und Sonderermittler des nationalsozialistischen Regimes auf der Durchreise, ist Philipp/Wächter Else Weiß, eine jüdische Ärztin, die sich auf dem Land vor den Nazis versteckt. Sie arbeitet in dem Gasthof, in dem sich Rother und sein Adjutant Hagen von Strelow (Ludwig Simon) vorübergehend einquartieren, da deren Wagen repariert werden muss.
Ein Überlebender berichtet von einem abgestürzten englischen Piloten
Doch dann werden im nahen Wald vier tote Wehrmachtssoldaten entdeckt. Ein Überlebender berichtet von einem abgestürzten englischen Piloten, dessen Auftauchen die Situation habe eskalieren lassen. Der Engländer, der sich als deutscher Spion entpuppt, wiederum wird kurz darauf tot in der Kapelle des Dorfes aufgefunden. Unauffindbar hingegen sind die für den Kriegsverlauf entscheidenden Invasionspläne der Alliierten, die er bei sich trug – Rother hatte bei den Toten im Wald lediglich noch ein halb verbranntes Blatt sichern können.

Auch die Waffe des erschossenen Engländers fehlt und wird schließlich im Haus des leicht zwielichtigen Tabler (Cornelius Obonya) entdeckt: ein Berliner Professor, der sich der “Ruhe” wegen aufs Land zurückgezogen hat und seine Tage im örtlichen Gasthof verbringt. Von Strelow, ein kühler Karrierist und fanatischer Hitler-Anhänger, hatte sich eigenmächtig auf die Suche danach gemacht. Doch was hätte Tablers Motiv für den Mord an dem Briten sein sollen? Der smarte, coole Rother, der sich mit wachem Kriminalisten-Blick durchs Dorf bewegt, hat einen anderen Verdacht… Und, wie ihm von Strelow zu Recht unterstellt, auch noch andere Motive, als dem “Reich” zu dienen.
Es dauert, bis dieser “Tatort” ein wenig an Fahrt gewinnt
Die Undurchschaubarkeit der zentralen Figur des Oberst Rother ist eine Stärke dieses Krimis, sein Changieren zwischen “Kriegsheld” der Nationalsozialisten und womöglich zum Regimegegner Gewandelten. Auch überzeugen die Schauspieler, allen voran Tukur, Philipp, Simon, Obonya und Imogen Kogge als Gastwirtin.
Und doch kommt dieser Film insbesondere in seiner ersten Hälfte steif und ohne Drive daher – was man vor allem dem eindimensionalen Drehbuch von Michael Proehl, Dirk Morgenstern und Matthias X. Oberg anlasten muss sowie der weitgehend uninspirierten Regie von Co-Autor Oberg. So erscheint die Erzählung plan, ohne Tiefe und darunterliegende Schichten; zudem fehlt es klar an Atmosphäre. Es ist auch der Spannung wenig förderlich, wenn offensichtlich verkleidete Menschen durch ein herausgeputztes Bilderbuch-Dörfchen laufen.
Es dauert also, bis dieser “Tatort” dann doch noch ein wenig an Fahrt gewinnt, sich eine gewisse innere Zwangsläufigkeit einstellt. Richtig gut und originell wird es erst ganz zum Schluss, in der in der Jetzt-Zeit spielenden Rahmenhandlung: Da landet der Kriegsverbrecher von 1944 auf dem Frankfurter Flughafen des Jahres 2024. Und erlebt beim Blick in die ihn umgebenden Gesichter – Mitreisende, Flugbegleiter und die ihn erwartenden Kommissare – seinen ganz persönlichen, realen Alptraum: Die Vergangenheit lebt.