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Neuer Gedenkort zum Martinstift erinnert an Leid einstiger Schüler

Eine Gedenkstele auf dem Gelände des ehemaligen evangelischen Schülerheims Martinstift in Moers erinnert seit Mittwoch an Gewalttaten, denen Schüler Anfang der 1950er Jahre dort ausgesetzt waren. Die Stele an der heutigen Musikschule an der Filder Straße wurde im Beisein von Vertretern aus Kirche, Diakonie und Stadtgesellschaft enthüllt, wie die Evangelische Kirche im Rheinland mitteilte. Die im Frühjahr 2023 veröffentlichte Aufarbeitungsstudie zum Martinstift sowie eine Ausarbeitung des ehemaligen Schülers und Initiators des Aufarbeitungsprozesses, Gerhard Stärk, sind über einen QR-Code an der Stele abrufbar.

Unter der Überschrift „Zur Erinnerung und Mahnung“ informiert die Stele, dass mehr als 80 Schüler im Alter zwischen elf und 14 Jahren in den Räumen des Martinstifts zu Beginn der 1950er Jahre misshandelt und missbraucht wurden. „Bis es zur Beendigung der Gewalttaten des damaligen Leiters Johannes Keubler und zu seiner Verurteilung kam, blieben die Verantwortlichen der Diakonie und der Evangelischen Kirche untätig und sind auch danach ihrer Verantwortung für die ihnen anvertrauten Menschen nicht gerecht geworden“, heißt es in der Inschrift. Und: „Als Diakonie und Kirche haben wir uns schuldig gemacht und die Schüler in ihrem schlimmen Leiden alleingelassen. Heute setzen wir uns für wirksamen Schutz und Aufarbeitung ein, damit solche furchtbare Gewaltausübung nicht wieder geschieht.“

Gezeichnet ist die Stele von der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL), der evangelischen Kirchengemeinde Moers, dem Kirchenkreis Moers und der rheinischen Kirche. Die rheinische Vizepräses Antje Menn, Beauftragte der Kirchenleitung für sexualisierte Gewalt, nannte die Stele „ein sichtbares Zeichen unseres Gedenkens auch an das Versagen unserer Kirche“. Kirsten Schwenke, Vorständin der Diakonie RWL, dankte den Betroffenen für den Mut, von ihrer Geschichte zu erzählen. „Ihre Stimme gibt der Vergangenheit ein Gesicht und zwingt uns, die Wahrheit anzuerkennen.“ Macht benötige immer Grenzen, Kinder sowie Familien besonderen Schutz, betonte Schwenke.

Initiator Stärk erläuterte, dass Betroffene bereits damals psychologische oder psychiatrische Hilfe benötigt hätten. Dennoch sei die nun erfolgte öffentliche Aufarbeitung und Anerkennung des Leids wichtig. Betroffene erhielten die Möglichkeit, ihre eigene Lebensgeschichte in der Rückschau neu zu bewerten.

Studienergebnisse der Bergischen Universität Wuppertal und der Fachhochschule Potsdam zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Schülerheim Martinstift waren Ende März 2023 vorgestellt worden. In der Folge wurde eine wissenschaftliche Aufarbeitung zum Thema „Sexualisierte Gewalt in den Internaten im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland“ beschlossen. Die Studie startet im Januar 2026 und soll nach einem Jahr abgeschlossen sein. Gegenstand der Untersuchung sollen elf evangelische Internate, Alumnate und Schülerheime sein.