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Neue Bischöfin in Braunschweig: “Kein Bammel vor der Zukunft”

Sie hat ihr neues Amt noch gar nicht begonnen, doch schon jetzt ist Christina-Maria Bammel Feuer und Flamme für das Braunschweiger Land. Eine Region mit weitem Horizont, „in der sich Himmel und Erde küssen“, sagt sie am Sonnabend bei ihrer Bewerbungsrede vor der braunschweigischen Landessynode, wenige Stunden, bevor das Kirchenparlament sie im zweiten Wahlgang mit deutlicher Mehrheit zur neuen Bischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig wählen wird.

Weitsicht sei auch kennzeichnend für die Synode, fährt sie anerkennend fort. Mit einer gerade beschlossenen, tiefgreifenden Strukturreform hätte sie mutig „die Weichen Richtung Zukunft gestellt“. In Braunschweig werde diese entscheidende Etappe „mit der Weite des Evangeliums und theologischem Tiefgang“ gegangen, lobt Bammel und bekundet „Respekt und Begeisterung“ für diesen Schritt. Und sie konstatiert: „Die braunschweigische Landeskirche macht enorm Tempo!“

Die 52-Jährige, die derzeit noch Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) ist – und damit die Stellvertreterin von Bischof Christian Stäblein – will diesen anspruchsvollen Prozess nicht als Chefin begleiten, die Ansagen macht, sondern als Bischöfin, die „im Leiten dient“. Bammel sieht sich bescheiden als „Begleiterin“, die den Initiativen und dem Engagement in der kirchlichen Fläche viel Raum geben und diese durch ihre langjährige Leitungserfahrung zielstrebig zusammenbinden will. Zudem will sie mit „Verbindlichkeit, Klarheit und Erprobungsfreude“ punkten.

Natürlich sei ihr bewusst, dass das von der Synode beschlossene Vorhaben, bis 2030 aus 11 Propsteien vier zu machen und 264 Gemeinden auf 16 Großgemeinden zu verdichten, nicht ohne „Konflikte und Transformationsschmerzen“ zu meistern sei, räumt Bammel ein. Allerdings dürfe man „keinen Bammel vor der Zukunft“ haben, sagt die künftige Bischöfin nicht ohne Selbstironie. Sie wolle zu „Konfliktbereitschaft , aber auch Kompromissfreude“ ermutigen – denn Konflikte gehören ihrer Ansicht nach „nicht unter den Teppich, sondern auf den Tisch“.

Nötig sei in Zeiten großer Umwälzungen zugleich, alle Menschen in der Kirche mit ihren Interessen und Sorgen wahrzunehmen und diese mitunter widerstreitenden Positionen klug zu moderieren. „Umsichtige Kommunikation ist der Schlüssel“, bringt es Bammel auf den Punkt. Allerdings, auch das betont sie, müssten am Ende des Ringens um den richtigen Weg eben auch konsequente Entscheidungen stehen. „Wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen im Vorgestern“, ist sie überzeugt.

Aus ihrer bisherigen Rolle als Pröpstin der EKBO bringt die Theologin jede Menge Management-Erfahrung in zentralen kirchlichen Bereichen mit: Sie verantwortete unter anderem die Arbeitsfelder theologische Grundsatzfragen, Medienarbeit, kirchliche Weiterentwicklungsprozesse und die Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt. Und sie weiß, was es bedeutet, Kirche unter den Vorzeichen von beschleunigtem Mitgliederrückgang und sinkender Finanzkraft zu organisieren, denn in Berlin und Brandenburg sind kaum mehr als zehn Prozent der Menschen noch evangelisch.

Vielleicht reicht Bammels Blick deshalb weit über die kirchliche Kernklientel hinaus. Sie schätze es nicht, wenn Kirche „in institutioneller Selbstumdrehung“ verharre, unterstreicht sie. „Hinaus in die Welt und fragen ‘was brauchst du?’, das ist für mich leitend“. Die mit einem Religionspädagogen verheiratete Mutter zweier erwachsener Töchter will auch auf Menschen zugehen, die üblicherweise nicht in Kirchen anzutreffen sind. Menschen mit Armuts- und Migrationsgeschichte etwa. Oder solche, denen Religion gleichgültig geworden ist, die sich enttäuscht von der evangelischen Kirche abgewandt haben oder schmerzhafte Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen im Raum der Kirche machen mussten.

Bammel, 1973 in Berlin-Pankow geboren und in Erfurt aufgewachsen, weiß, wovon sie spricht. Sie habe die Kirche in ihrer Jugend vor allem als einen „Safe Space“ vor der Enge des SED-Regimes erlebt, als einen Raum der Geborgenheit und des freien, kritischen Denkens, erläutert sie.

Und so wundert es nicht, dass die künftige braunschweigische Bischöfin die Kirche zuallererst als Freiheits- und Möglichkeitsraum sieht, als eine Zusage für alle Menschen. Gerade in Zeiten, in denen gesellschaftliche Debatten sich weiter zuspitzten, Desinformation und Empörungswellen kursierten, träume sie von einer „unbeirrt inklusiven Kirche“, einer Kirche, „die sich verschenkt und großzügig ist“.