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Naturspektakel in Lila: Die Heide blüht und nährt viele Insekten

Die offene Landschaft schimmert bis zum Horizont in Lila und Rosa, Calluna-Pflanzen öffnen ihre Kelche: Die Heide blüht. Besonders beeindruckend ist das Naturspektakel in der Lüneburger Heide im niedersächsischen Tiefland, wo die Blüte der Besenheide (Calluna vulgaris) in diesen Tagen begonnen hat – zwei Wochen früher als üblich.

Der Grund: Dieses Jahr hat es bisher ungewöhnlich viel geregnet, wie Hilke Feddersen erklärt, Geschäftsführerin des Naturparks Lüneburger Heide in Winsen an der Luhe. Denn eigentlich gelte für die Hoch-Zeit der lila Blütenmeere eine Faustregel: „8.8. bis 9.9. – das ist unsere Nummer.“

Der Regen hat der Heide gutgetan, problematisch sind hingegen trockene Sommer: „In den vergangenen Jahren hatten wir zu wenig Wasser“, klagt Feddersen: „Die Heidekräuter sind nicht trockenresistent.“ Zudem steige ohne Beschattung die Brandgefahr.

Rund 1.000 Quadratkilometer umfasst die Lüneburger Heide insgesamt. „Ein Naturpark muss mindestens 50 Prozent Naturschutzgebiete in sich tragen“, erläutert die Geschäftsführerin. Denn die Heide hat eine große Bedeutung für die Artenvielfalt: Das Birkhuhn brauche das Offenland, auch der Ziegenmelker – ein Vogel aus der Familie der Nachtschwalben – sei hier zu Hause.

Die Heide-Filzbiene, die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht, bestäubt die Blüten des Heidekrauts. Falter wie das Heide-Grünwidderchen und die Kleine Heidekrauteule sowie Reptilien wie Kreuzotter und Zauneidechse fühlen sich hier besonders wohl.

Dabei war die Heide ursprünglich keine natürliche Landschaft, sie ist von Menschen gemacht. „Das war mal Wald“, sagt Feddersen. Hausschweine mästeten sich hier im Mittelalter an Eicheln und Bucheckern – Hudewälder oder Waldweiden nennt man solche Flächen. „Dauerte die intensive Beweidung lange Zeit an, konnte man einen Hudewald kaum noch als Wald bezeichnen; aus ihm war eine offene Heide geworden“, so erklärte es einmal der Pflanzenökologe Hansjörg Küster.

„Heyde“ – das hieß im Altdeutschen so viel wie „unbebautes Land“, das als „Allmende“ von der ganzen Dorfgemeinschaft genutzt wurde – im Gegensatz zu Feldern und Gemüsegärten. Die Bauern betrieben Brandrodung. Zudem trugen sie den Oberboden samt Gehölzen und Wurzeln ab, um ihn als Brennmaterial, Dünger und Einstreu im Stall zu nutzen.

Die Folge: Der Boden versauerte und degenerierte. Nur Wacholder, Kiefern und Birken konnten sich noch zwischen den aufkommenden Zwergsträuchern aus der Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae) in dem Sandboden halten. Die Besenheide bezieht ihre Nährstoffe auf den mageren Böden von Pilzen. „Vor ein paar hundert Jahren blühten hier riesige Flächen für sechs Wochen“, sagt Feddersen. „Aber als der Kunstdünger aufkam, ist die Heide zurückgegangen.“ Sie braucht mageren Boden.

„Trotzdem haben wir hier immer noch die größte Heidelandschaft Mitteleuropas“, betont sie. „In den 1920er Jahren hat man sie unter Naturschutz gestellt. Das Land Niedersachsen und die Gemeinden haben zwischen 1900 und 1930 viel investiert, um die offenen Flächen zu erhalten.“ Zum Schutz der Biodiversität halten Schafe, die berühmten Heidschnucken, diese Kulturlandschaft noch heute offen.

Aber es gibt in Deutschland noch viel mehr Heideflächen. Die Lübtheener Heide in Mecklenburg-Vorpommern ist mittlerweile Naturschutzgebiet und gehört zum Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe. Dank der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie steht die Zwergstrauch- und Wacholderheide unter dem besonderen Schutz der Europäischen Union.

Auch die Senne und die Westruper Heide in Nordrhein-Westfalen gehören zu den atlantischen Zwergstrauchheiden, wie sie idealtypisch in Irland und Schottland zu sehen sind. Die brandenburgische Schorfheide und die Rostocker Heide in Mecklenburg-Vorpommern sind dagegen mittlerweile zu einem lichten Küstenwald aufgewachsen.

Für den Gartenbau hat der englische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon den Begriff der „Heide“ übrigens schon 1625 entdeckt: In seinem Essay „Über Gärten“ schrieb er: „Der Heide möchte ich so weit wie möglich das Aussehen einer natürlichen Wildnis geben. Bäume sollen gar nicht darin sein.“ Weißdorn und Geißblatt ließ er gelten, Thymian und Nelken auch.

Alfred Feßler, gestorben 1992 und einst Leiter des Tübinger Botanischen Gartens, hat beschrieben, wie man einen solchen Garten anlegen kann: mit Schneeheide im Januar, Kuhschelle und Adonisröschen im Frühling, Lavendel, Silberdistel, Feldthymian, Bergaster und Bartblume im Sommer sowie mit der Herbstzeitlosen im Oktober. Denn im Garten soll es immer blühen.