Viele Chöre haben große Nachwuchsprobleme. Diese Sorge sei älter als die Corona-Pandemie, sagt die Geschäftsführerin des europaweit bekannten Tölzer Knabenchors. Die Entwicklung hat bereits handfeste Auswirkungen.
Überlastete Eltern und wenig ablehnende Schulen – darin sieht die Geschäftsführerin des Tölzer Knabenchors entscheidende Gründe für die Nachwuchssorgen von Chören. In Familien werde weniger musiziert als früher, sagte Barbara Schmidt-Gaden im Interview der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Freitag). Auch seien Familien häufig damit überfordert, “dass die Kinder zwei- bis dreimal pro Woche aus einem Umkreis von bis zu dreißig Kilometern zu uns nach Unterföhring in den Unterricht gebracht werden müssen.”
Habe es im Jahr 2017 noch 140 Neuanmeldungen gegeben, sei diese Zahl inzwischen auf 25 gesunken. Jährlich würden rund 200 Schulen kontaktiert, um Vorsingen anzubieten. Etwa die Hälfte davon sagt laut Schmidt-Gaden ab – “aus den unterschiedlichsten, zum Teil hanebüchenen Gründen”. Oft sei zu hören, dass kein Wert auf das Angebot gelegt werde oder dass man es nicht unterstütze, weil nur Jungen mitsängen. “Dabei bekommen sie eine Musikstunde geschenkt”, kritisierte die Musikerin.
Geplant sei, die Kontakte zu den Schulen zu verstärken: “Viele Leute wissen gar nicht, was wir hier Wertvolles leisten.” Chöre vermittelten Fähigkeiten wie Teamfähigkeit und Selbstdisziplin.
In diesem Jahr werde es im Advent weniger Auftritt geben als 2023, fügte Schmidt-Gaden hinzu. “Es ist eine völlig neue Situation für uns, dass wir uns seit diesem Jahr aktiv um die Konzertakquise kümmern müssen.”
Zugleich seien die Grenzen zwischen “ernster und Unterhaltungsmusik” hierzulande “nach wie vor zu streng gezogen”. Es brauche eine Öffnung, ohne die Begabtenförderung zu vergessen.
Auch in gemischten Kirchenchören sinke die Bereitschaft, sich zu binden, sagte die 53-Jährige. “Man arbeitet nur noch projektweise zusammen. Immer weniger Menschen erklären sich zuverlässig bereit, jede Woche am gleichen Tag zu Proben zu kommen.” Das Problem habe sich schon vor der Corona-Pandemie abgezeichnet.