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Nach Bootsunglück wollen Angehörige Regierung in Rom verklagen

Vor einem Jahr ertranken 94 Menschen bei einem Bootsunglück vor der italienischen Küste. Zum Jahrestag gerät auch die europäische Einwanderungspolitik in die Kritik.

Ein Jahr nach dem Bootsunglück von Cutro mit 94 ertrunkenen Migranten gerät Italiens Regierung in die Kritik. Hinterbliebene der Opfer planen eine Zivilklage wegen unterlassener Hilfsleistung, wie die Zeitung “La Repubblica” am Montag berichtete. Der landesweit bekannte Pfarrer Luigi Ciotti griff unterdessen die europäische und italienische Einwanderungspolitik an.

Es herrsche eine “gigantische Heuchelei”, schrieb der als Mafia-Gegner bekannte Priester in einem Gastbeitrag für die Zeitung “La Stampa”. Einerseits würden zivile Seenotretter beschuldigt, Menschenhandel zu erleichtern; andererseits träfen die Regierungen Vereinbarungen mit diktatorisch regierten Ländern, die direkt in diesen Handel verwickelt seien und Geschäfte mit der Mafia machten.

Vor einem Jahr – in den frühen Morgenstunden des 26. Februar 2023 – war vor dem Strand von Cutro nahe der Stadt Crotone ein Holzboot mit Migrantinnen und Migranten gesunken. 94 Menschen starben, darunter 35 Minderjährige. Rund ein Dutzend gelten als vermisst.

Am Sonntag und in der Nacht zum Montag hatten in der kalabrischen Stadt mehrere Gedenkveranstaltungen stattgefunden, an denen auch Hinterbliebene teilnahmen. Sie kritisierten, dass kein Regierungsmitglied an dem Gedenken teilgenommen habe und kündigten die Zivilklage an.

Rund um den Fall laufen bereits Ermittlungen und Gerichtsprozesse. Vor Kurzem hatte ein Gericht in Crotone einen der vier angeklagten Schlepper zu 20 Jahren Haft und einer Geldstrafe von drei Millionen Euro verurteilt. Ins Visier der Ermittlungsbehörden gerieten zudem die Finanz- und Küstenwache. Es wurde geprüft, warum Hilfe für die Menschen auf dem Holzboot erst so spät eintraf.

Die italienische Regierung verschärfte nach dem Unglück ihre Maßnahmen gegen Schlepperei. Das “Dekret Crotone” ziele jedoch auf den Schutz der Grenzen und nicht auf den Schutz von Menschenleben ab, kritisierte Pfarrer Ciotti.