Die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern schlägt Alarm: Eine aktuelle Umfrage unter den berufstätigen Ärztinnen und Ärzten des Landes zeige eine „besorgniserregende Entwicklung“, wie die Kammer am Mittwoch mitteilte. Mehr als jede und jeder Zweite (57 Prozent) berichtet demnach von psychischer, knapp jede und jeder Fünfte (19 Prozent) von körperlicher Gewalt durch Patientinnen und Patienten. Besonders im stationären Bereich seien die Zahlen „erschütternd“: Dort hätten 30 Prozent der Umfrageteilnehmenden körperliche Übergriffe erlebt, 13 Prozent sogar ausgeprägte körperliche Gewalt, unter anderem Schlagen, Treten, Würgen oder Beißen.
Junge Ärztinnen und Ärzte unter 40 Jahren seien besonders häufig betroffen. In dieser Altersgruppe berichten den Angaben zufolge 70 Prozent von Gewalterfahrungen innerhalb des vergangenen Jahres, ein Drittel davon sowohl von körperlicher als auch psychischer Art. Auch sexualisierte Gewalt bleibe kein Randphänomen: 5 Prozent der Ärztinnen und Ärzte geben an, körperliche sexualisierte Gewalt erfahren zu haben.
„Diese Zahlen zeigen, dass Gewalt gegen medizinisches Personal kein Einzelfall und kein Randthema mehr ist“, sagte Jens Placke, Präsident der Ärztekammer MV. „Wenn Ärztinnen und Ärzte in ihrem Arbeitsalltag bedroht, beleidigt oder gar angegriffen werden, gefährdet das nicht nur ihre Sicherheit, sondern auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten.“
Besorgniserregend seien auch die Zahlen für das medizinische Personal, wie medizinische Fachangestellte oder Pflegepersonal. Zwei Drittel der Ärzte berichten demnach, dass sie Gewalt beim Personal erlebt haben, vor allem psychische Gewalt (65 Prozent). Über 40 Prozent der Befragten nehmen eine deutliche Zunahme von Aggression in den vergangenen fünf Jahren wahr. Häufig werden Frust (61 Prozent), psychische Probleme (56 Prozent) oder Suchtverhalten (50 Prozent) der Patientinnen und Patienten als Auslöser genannt.
Die Umfrage ergab, dass viele Betroffene sich alleingelassen fühlen: Ein Viertel hat mindestens schon ein Mal Polizei oder Sicherheitsdienste alarmiert, zahlreiche Befragte berichten von eingestellten Strafverfahren oder mangelnder Unterstützung durch Arbeitgeber und Behörden. Zugleich berichteten 81 Prozent, dass sie durch ein deeskalierendes Gespräch versucht haben, den Konflikt zu lösen.
Die Umfrage wurde von der Ärztekammer MV im Zeitraum zwischen dem 4. Juli und 31. August 2025 per Mail unter allen 8.814 berufstätigen Ärztinnen und Ärzten im Bundesland durchgeführt. 1.086 hätten den Fragebogen vollständig ausgefüllt, das entspreche 12,3 Prozent der berufstätigen Kammermitglieder, hieß es.