In Rutenberg, einem Ortsteil von Lychen im Kirchenkreis Oberes Havelland, siedeln laut Medienberichten Anhänger des „Königreichs Deutschland“. Stimmt das? Und wie gehen die Menschen vor Ort damit um? Eine Dorfgemeinschaft ringt um den richtigen Weg – und die Kirchengemeinde ist mittendrin.
Rutenberg. „Kein Ort für völkische Siedler“, steht auf einem Plakat am Zaun eines Hofes, der dem 180-Seelen-Dorf Rutenberg vorgelagert ist. Und: „Gegen Nazis“. Es ist das erste von vielen ähnlich lautenden Plakaten. Sie säumen die Dorfstraße, offenbaren Risse in der uckermärkischen Idylle. „Kehrt um! Reichsbürger euer ‚Königsweg‘ ist eine Sackgasse“, steht auf einem Transparent vor der Kirche, unterzeichnet vom DemokratieBündnis Rutenberg. Der Protest richtet sich gegen das „Königreich Deutschland“ (KRD), einen 2012 in Wittenberg ausgerufenen Fantasiestaat mit nach eigenen Angaben rund 5000 „Untertanen“, und einem König Peter Fitzek. Das Bundesamt für Verfassungsschutz spricht von „Staatssimulation“.
Geplante Expansion mit dem Kauf von Landsitzen
Bemühungen des KRD, in Rutenberg Fuß zu fassen, werden seit Januar von Medien kritisch begleitet. Laut Verfassungsschutz gehört das KRD zu den sogenannten „Reichsbürgern“ beziehungsweise „Selbstverwaltern“, von denen nur ein kleiner Teil rechtsextrem sei, es gebe jedoch verschwörungstheoretische Grundzüge, Andockstellen für antisemitische Propaganda und „einen Ansatzpunkt für eine potenzielle Radikalisierung“. Die Gruppierung beabsichtige, „autarke Strukturen zu errichten und ein eigenverwaltetes ‚Staatsgebiet‘ entstehen zu lassen“. Sie plane, mit „Gemeinwohldörfern“ und dem Kauf von Landsitzen zu expandieren. Auch in Rutenberg. Dort im Zusammenhang mit der Genossenschaft „Am Eichengrund e.G. Lychen“. Mehrmals wurden Marco Ginzel und Dirk Schneider vor Ort gesehen, die als rechte Hand von Fitzek gelten.
Nach Informationen des DemokratieBündnisses Rutenberg, aus dem sich im Juni ein Verein gegründet hat, gibt es Hinweise auf finanzielle Verflechtungen. Mittlerweile will demnach die Mehrheit der 13 Mitglieder der Genossenschaft mit dem KRD kooperieren. Die Rutenberger Kirchengemeinde hat sich dem DemokratieBündnis angeschlossen. Die Entscheidung des Gemeindekirchenrats sei einstimmig gefallen, sagt dessen Vorsitzende Cornelia De Smet: „Wir wollen Stellung beziehen, für Rechte, für Demokratie, für das friedliche Zusammenleben von allen.“ Dass Peter Fitzek im vergangenen Jahr zwei Mal in Rutenberg war, sei ihr selbst nicht aufgefallen, aber vielen Menschen im Dorf aus der unmittelbaren Nachbarschaft. „Ich habe mich eigentlich gefreut, dass in die vorderen Gebäude des Gutshofes wieder Leben eingezogen ist“, sagt De Smet. Dann hat sie in Zusammenkünften mit Einwohnern und dem Verfassungsschutz erfahren, „dass die Bewohner mit den Reichsbürgern Kontakte pflegen“. Und ihre Meinung geändert.
Unverdächtiges Idyll in der Dorfstraße
Von außen wirkt das Gelände der Genossenschaft in der Dorfstraße unverdächtig: Backsteinbauten, dazwischen ein öffentlich zugänglicher Weg, ein Fahrradparkplatz, Ökotoiletten, Wohnwagen, eine indisch anmutende Statue, eine Tafel, auf der mit Kreide Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf zitiert wird: „Sei frech, wild und wunderbar.“ Auf Klopfen an der Tür reagiert niemand. Weitere Auskunftsbemühungen scheitern. Eine Anfrage ans KRD bescheidet dessen Sprecher Ginzel abschlägig: „Derzeit beantworten wir keinerlei Fragen zu diesem Thema. Ich bitte um Verständnis.“
Auch der frühere Vorsitzende der Genossenschaft „Am Eichengrund e.G. Lychen“, André Proetel, möchte sich nicht äußern. Er ist Biogärtner und Anhänger der Anastasia-Bewegung. Die Bewegung ist eine rechtsesoterische Sekte, die seit Juni vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet wird. Stefan Ziemer, nun Vorsitzender der Genossenschaft, soll mit dem KRD kooperieren.
In der Nachbarschaft ist von einem Streit die Rede. Und von Videos, auf denen Ziemer mit Fitzek und anderen KRD-Managern zu sehen sei. Ziemer habe, sagt DemoktratieBündnis-Sprecherin Ines Lehmann-Günther, Verbindungen geleugnet, obwohl sie offensichtlich seien. Laut einem Beitrag des TV-Magazins „Kontraste“ im Januar hatte Ginzel in einem mittlerweile gelöschten Video verkündet, dass die Genossenschaftler in Rutenberg planten, in den „Rechtekreis des Königreichs“ zu wechseln. „Wir wollen nicht, dass sich bei uns ‚Gemeinwohldörfer‘ entwickeln“, sagt Lehmann-Günther.
Genossenschaft unterwandert?
In einem Beitrag des ARD-„Morgenmagazins“ vom 20. Juni zu diesem Thema äußert sich eine Frau, die sich „Kati“ nennt: „Für eine gewisse Zeit“ habe es eine Zusammenarbeit mit dem KRD gegeben, die aber „ausgesetzt“ sei. Sie habe nur das WaGaBauprojekt, das Wald-Garten-Bau-Projekt, betroffen, das mittlerweile offenbar als „WaGaBund(t)“ auftritt. Eine noch nicht gelöschte Webseite weist Ersteres als „Staatsbetrieb im KRD“ aus.
In einem nicht datierten offenen Brief an das DemokratieBündnis, der am Schwarzen Brett vor der Kirche in Rutenberg aushängt, beruft sich WaGaBund(t) auf liberale Werte und eine „pazifistische Philosophie“. Die WaGaBund(t)en „bedauern es, dass all unsere Angebote zu einem Dialog nach wie vor so konsequent abgelehnt werden“. DemokratieBündnis-Sprecherin Lehmann-Günther stellt klar: „Dialogangebote gab es immer nur am Schwarzen Brett.“ Vereinbarungen seien gebrochen worden, die Vertrauensbasis weg. Das KRD habe die Genossenschaft „Am Eichengrund“ unterwandert.
Davon ist auch Martin Hansen überzeugt. Er gehört ebenfalls zum DemokratieBündnis und bewirtschaftet hinter der Dorfkirche eine ökologisch orientierte Anlage mit neun Ferienwohnungen. Das Land hat er von der Kirchengemeinde gepachtet. „Die Genossenschaft besteht aus Anhängern der Anastasia-Bewegung und des KRD“, sagt er. Gern stellt Hansen seinen großen, mit Lehmbau nachhaltig gestalteten Versammlungsraum für Treffen des DemokratieBündnisses zur Verfügung. Da komme dann auch der Verfassungsschutz und berate.
„Die Siedler haben schon 44 Hektar Land“, sagt Hansen. „Und die wollen noch mehr Häuser. Das müssen wir verhindern.“ Der leerstehende Dorfkrug gegenüber der Genossenschaft etwa stehe zum Verkauf, auch das Grundstück mit dem gelb angestrichenen Haus daneben. Das Bündnis wende sich an Makler und Grundstücksbesitzer, damit diese nicht an KRD-Verbindungsleute verkaufen. „Toleranz hat Grenzen“, meint Hansen.
Kein Urlaub bei Demokratiefeinden
Christiane Richter fordert ebenfalls eine klare Abgrenzung vom KRD. Seit anderthalb Jahren ist sie Pfarrerin in Lychen. Zu ihren fünf Gemeinden und sechs Predigtstätten gehört die Dorfkirche Rutenberg. Die Ausbreitung des KRD in der Region schade sowohl der Demokratie als auch dem Tourismus: „Neben Demokratiefeinden will niemand Urlaub machen.“ Sie überlege der Gemeinde vorzuschlagen, ein großes Transparent an der Kirche anzubringen, „um klarzumachen: Wir stehen auf der richtigen Seite“.
Lehmann-Günther setzt auf „die Politik der kleinen Nadelstiche“ mithilfe vom Bauamt. Außerdem wolle man fortfahren mit Aufklärungsveranstaltungen und bei Festen „in den Dialog gehen“. Die nächste Gelegenheit dazu gibt es auf dem „Ross- & Reiterfest“ am 22. Juli, das die Kirchengemeinde Rutenberg jährlich gemeinsam mit dem Dorf veranstaltet. Es werde einen Stand des DemokratieBündnisses mit Infomaterialien geben, kündigt Pfarrerin Richter an. „Mensch und Tier können gesegnet werden“, sagt sie, „aber keine Ideologie.“ Sollten ihr „an diesem Tag Menschen gegenüberstehen, von denen ich weiß, dass sie rassistisches oder nationalistisches Gedankengut haben, dann würde ich einen Wunsch aussprechen, dass wir Erkenntnis erlangen von Gottes Weite, die größer und bunter ist, als wir uns oft vorstellen können“.
Samstag, 22. Juli, 14 Uhr: Ross- & Reiterfest Rutenberg – eine Veranstaltung rund ums Pferd mit Kutschfahrt, Segnung und vielem mehr. An der Kirche Rutenberg, Dorfstraße, Lychen/Rutenberg.
www.kirchenkreis-oberes-havelland.de