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Musizieren für den Zusammenhalt

Die Vorweihnachtszeit wäre ohne Musik kaum vorstellbar: Gemeinsames Singen und Musizieren gehört zum Advent wie Nürnberger Lebkuchen und Herrnhuter Sterne. Doch auch über das ganze Jahr hinweg sind laut der Allensbach-Studie „Amateurmusizieren in Deutschland“ für das Musikinformationszentrum in Bonn 21 Prozent der Bevölkerung musikalisch aktiv, das entspricht 16,3 Millionen Menschen. Sie musizieren zu Hause, in Kirchengemeinden und auf Weihnachtsmärkten.

Mehr als 80 Prozent spielen ein Instrument, am häufigsten Gitarre oder Klavier, etwa 40 Prozent singen. Musizieren gilt als emotionaler Ausgleich und soziales Ereignis. Besonders viel Musik machen Kinder und Jugendliche: Rund die Hälfte der 6- bis 15-Jährigen musiziert, bei Erwachsenen sinkt der Anteil auf etwa 18 Prozent.

Kinder aus bildungsnahen Haushalten erhalten überdurchschnittlich oft Instrumentalunterricht, haben Zugang zu Musikschulen und kulturellen Impulsen. Studien des Musikinformationszentrums und der Bertelsmann Stiftung zeigen, dass die elterliche Förderung der wichtigste Faktor ist.

Neben dem Elternhaus spielen die Kirchen eine bedeutende Rolle: 19 Prozent der Instrumentalisten gaben an, in der Kirche mit Musik in Kontakt gekommen zu sein. Bei den Kindern ab sechs Jahren sind es sogar 23 Prozent. Zum Vergleich: Zwölf Prozent musizieren vor allem in der Musikschule und acht Prozent in einem Verein.

Einen Kausalzusammenhang zwischen religiöser Prägung und musikalischer Aktivität gibt es nicht, wohl aber eine kulturelle Verbindung. Musik im kirchlichen Raum wirkt spätestens seit der Reformation identitätsstiftend. Sie gilt als Ausdruck gelebter Spiritualität und ästhetischer Bildung. Gemeinsames Singen und Musizieren in Gemeinde, Chor und Gottesdienst fördert Empathie und Zusammengehörigkeitsgefühl. Musik ist Teil der kirchlich-kulturellen DNA.

Bereits Martin Luther (1483-1546) und Johann Sebastian Bach (1685-1750) betrachteten Musik als zentrales Medium von Glauben, Lernen und religiöser Praxis. Luther soll gesagt haben: „Die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes; sie vertreibt den Teufel und macht die Menschen fröhlich.“ Zugleich sah er in der Musik auch einen Erziehungsfaktor, der Menschen milder, sittsamer und vernünftiger mache.

Christine Cavalotti vom Landesverband der Musikschulen Baden-Württembergs bestätigt das: „Musikalische Bildung ist von unschätzbarem Wert für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen und fördert zahlreiche Schlüsselqualifikationen.“ Viele Kinder erlebten im Musizieren tiefe Verbundenheit und Gemeinschaftsgefühl.

Bundesweit musizieren laut Verband deutscher Musikschulen rund 1,53 Millionen Kinder und Jugendliche an öffentlichen Musikschulen. Die Angebote der 928 Mitgliedsschulen umfassen knapp 13.500 Kooperationen und reichen von Elementarkursen für Vorschulkinder bis zu professionellem Instrumental- und Vokalunterricht.

„Musizieren trägt wesentlich zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei“, sagt Cavalotti. In Zeiten von Digitalisierung und Vereinsamung durch soziale Medien und Künstliche Intelligenz (KI) würden zwischenmenschliche Fähigkeiten, Empathie sowie Konzentration und Zugewandtheit immer wichtiger. „Musik ist daher ein zentraler Baustein, um die nächste Generation auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten“, ist Cavalotti überzeugt.