Ein Pop-Kantor für den Kirchenkreis Münster: Das klingt spektakulär und ist tatsächlich außergewöhnlich, denn Hans Werner Scharnowski ist der erste seiner Art in der Evangelischen Kirche von Westfalen. Der aus Gelsenkirchen stammende Vollblutmusiker tritt an, um die Kirche „etwas zu entstauben“; so lautete die Vorgabe der Verantwortlichen des Kirchenkreises bei der Einstellung. Der Vertrag des 60-Jährigen, der bisher in Schalksmühle (Märkischer Kreis) ein Tonstudio betrieb und jetzt zum ersten Mal in seinem Leben als Angestellter arbeitet, läuft auf sechs Jahre. „Mein Ideal ist ein musikalisches Gotteslob auf eine moderne Art und Weise, und so etwas ist immer Ausdruck einer lebendigen Gemeinde“, schwärmt er.
Geboren 1954 in Gelsenkirchen, wuchs Scharnowski im Ruhrgebiet auf. Schon während seiner Schulzeit besuchte er das Konservatorium. Zwischenzeitlich ließen ihn die Erfahrungen des Zivildienstes zum Medizinstudium tendieren. Dann nahm er doch an der Essener Folkwang-Hochschule ein Studium der Schulmusik auf. Nach dem Examen beteiligte er sich an einem Modellversuch Popularmusik in Hamburg, hospitierte beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) und dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF).
Als freiberuflicher Musiker arbeitete er als Komponist, Produzent, Keyboarder und Event-Manager im gesamten Bundesgebiet. Und was ist seine bevorzugte Musikrichtung? „Das ist ein ganz weites Feld und umfasst Blues, Rock und Pop ebenso wie das Chanson“, sagt Scharnowski spontan. „Wenn ich abtanzen will, kann ich mich auch für Techno oder Hip Hop erwärmen, aber das kann und will ich nicht produzieren.“
Sein angestammtes Gebiet ist dagegen Crossover mit klassischen Elementen, etwa im Stil der „Last Night of the Proms“, die in London Massen von Menschen begeistert. Unterschiede oder gar Gegensätze zwischen E-(Ernster-) und U-(Unterhaltender-)Musik sieht er nicht. „Die Sprache der Klassik und der dazugehörigen Texte wird immer weniger verstanden, weil sie sich von der Wirklichkeit entfernen“, gibt der Musiker zu bedenken. Wohlgemerkt: Scharnowski ist ein begeisterter Hörer von Oratorien, „aber für einen Großteil der Bevölkerung ist das eine abgehobene Kunstform“, fügt er hinzu. „Die meisten möchten auf eine unmittelbare Art und Weise etwas vom Glauben hören und erfahren.“ Dabei gehe es ihm nicht darum, mit Hilfe eines neuen Mediums Menschen für die Kirche einzufangen, sondern ihnen mit einer verständlichen, musikalisch-emotionalen Sprache wie etwa durch Gospels und Spirituals, Glaubensdinge nahezubringen.
Dabei will er ausdrücklich nicht nur junge Menschen ansprechen, sondern auch die Älteren, die mit den Beatles groß geworden sind. Während er die Lieder der Gemeinschaft von Taizé „großartig“ findet, kritisiert er neue geistliche Musik – etwa eines Piet Janssens – als „zu verkopft“. Da liegen ihm die „Toten Hosen“ oder Herbert Grönemeyer näher. Momentan ist er mit einem Hymnenprojekt befasst, hat aber auch dem Choral „In dir ist Freude“ in einer neuen Textfassung von Jörg Zink einen modernen Sound verliehen. Als Komponist hat er unter anderem die Musik zu den Musicals „Hoffnungsland“ (mit Johannes Nitsch) und „Noch einmal Kapernaum“ (Text: Jürgen Werth) geschaffen.
Was seine Beziehung zur Kirche angeht, so ist der neue Pop-Kantor in einer sehr christlichen Familie aufgewachsen, „und mein Glaube hat gut überlebt“, wie er mit Nachdruck hervorhebt. Freikirchlich geprägt, hat er Hunderte von Konzerten in Kirchen gegeben, oft als Chorleiter, unter anderem bei „Pro Christ“, der Zeltmission sowie evangelischen Kirchentagen mitgewirkt. Wie Kirche und ihre Gemeinden „ticken“, ist ihm gut vertraut.
„Mein Ziel ist es, mit den Menschen zu arbeiten und sie einzubeziehen“, betont er. „Offenbar gelingt es mir gut, ihnen etwas Glaubensstärkendes weiterzugeben, denn ich bekomme viel positive Resonanz.“
Dazu passt, dass er als erstes alle 25 Gemeinden des Kirchenkreises Münster bereisen und kennenlernen will, um die haupt- und ehrenamtlich in der Kirchenmusik Tätigen zusammenzubringen und mit ihnen jeweils zwei bis vier Songs einzustudieren. Bereits für 2016 will er einen großen Projektchor bilden, der zusammen mit professionellen Hauptdarstellern das Musical „Amazing Grace“ in der Halle Münsterland aufführen soll. Außerdem steht Scharnowski bereit, um Bands und Instrumentalgruppen zu coachen. Mindestens einmal im Jahr will er einen großen Band-Workshop veranstalten, zu dem auch Musiker außerhalb der Kirche hinzugeholt werden sollen. „Und wenn wir dann noch einmal im Monat einen liturgisch offenen Abendgottesdienst mit grooviger Musik auf die Beine stellen würden, wäre ich vollends zufrieden“, fügt er schmunzelnd hinzu. fel
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Musikalisches Gotteslob – ganz modern
Hans Werner Scharnowski, Pop-Kantor in Münster, will Menschen ansprechen und einbeziehen