Das gleich mal vorweg: Für Rothenburg ob der Tauber sollte man sich ein paar Tage Zeit nehmen. Die Stadt ist zwar nicht allzu groß, aber es gibt viel zu entdecken. Kirchen, Museen, thematische Stadtführungen. Außerdem laden gut ausgeschilderte Wanderwege dazu ein, die Umgebung zu erkunden.
Fragt man Oliver Gußmann, was man sich auf jeden Fall in Rothenburg ob der Tauber anschauen sollte, ist der Fall klar: „Die Jakobskirche mit dem Heilig-Blut-Altar von Tilman Riemenschneider.“ Der Tipp ist vielleicht auch naheliegend, denn Oliver Gußmann ist evangelischer Pfarrer. Touristenpfarrer. Und Pilgerpfarrer. Rothenburg liegt an einem der Jakobswege nach Santiago de Compostela. Über 1000 Pilger kommen jedes Jahr in die evangelische Jakobskirche – neben den tausenden Touristen, die sich für die Kirche interessieren.
Oliver Gußmann bietet unterschiedliche Kirchenführungen an. Da sind natürlich die kunstgeschichtlichen, in denen er oder andere Kirchenführerinnen und Kirchenführer „die Menschen in Kontakt bringen mit der christlichen Kunst“, wie er es beschreibt. Besonders am Herzen liegen ihm die spirituellen Führungen. „Ich möchte zeigen, wie die Bilder und Kunstwerke mit unserem Leben zu tun haben.“ Da ist etwa das Bild von Jesus in Gethsemane. „Jesus blickt dem Tod ins Auge – allein. So wie jeder Mensch. Die Jünger sind dabei. Sie können ihm beistehen, ihm aber nichts abnehmen.“
Auf den Spuren des jüdischen Rothenburgs
An den kostenlosen Kirchenführungen kann man freitags bis montags teilnehmen. Beginn ist immer um 14.30 Uhr. Eine zusätzliche Führung gibt es am Sonntag nach dem Gottesdienst. Es besteht auch die Möglichkeit, im Vorfeld eine Führung für eine Gruppe bei Oliver Gußmann zu buchen. „Wer die Kirche anders erleben möchte und Orgelmusik mag: Mittwochs um 17 Uhr und samstags um 18 Uhr gibt es jeweils 30 Minuten Orgelmusik“, empfiehlt er.
Der Pfarrer bietet auch Führungen durch das jüdische Rothenburg an. Die jüdische Geschichte der Stadt geht zurück bis in das Jahr 1170. „Die älteste Mikwe (jüdisches Tauchbad) Bayerns aus dem Jahr 1409 wird derzeit restauriert“, erzählt Oliver Gußmann. Sehenswert ist auch die Judengasse. Dort gibt es noch mehrere im Kernbestand jüdische Häuser. 1370 wurden sie gebaut – als die Juden in ein extra Gebiet umsiedeln mussten.
Vor allem ist Rothenburg aber bekannt für seinen mittelalterlichen Flair. „Ich mag das windschiefe, heimelige Stadtbild“, sagt Gußmann. Wenn Gäste darüber mehr wissen wollen, schickt er sie zu den Stadtführern. Besonders empfehlenswert sind die Führungen mit dem Nachtwächter, die täglich stattfinden.
Alte Häuser, enge wie breite Gassen, schnuckelige Geschäfte, viele Cafés und Restaurants laden zum Flanieren ein. Bekannt sind auch die Geschäfte „Käthe Wohlfahrt“, wo es das ganze Jahr über Weihnachtsartikel zu kaufen gibt.
Wenn nicht gerade Corona das Geschehen beeinträchtigt, wartet Rothenburg mit zwei großen historischen Veranstaltungen im Jahr auf. Dabei bekommen Interessierte einen guten Einblick in die Geschichte der einstmals bedeutenden freien Reichsstadt: Zum Pfingstwochenende greift das Festspiel „Der Meistertrunk“ jene Episode aus dem 30-jährigen Krieg auf, als die Stadt von den Truppen des Generals Tilly erobert wurde und erst durch Altbürgermeister Nusch vor der Zerstörung gerettet wurde. Dreieinviertel Liter soll Nusch auf einmal geleert und damit den feindlichen General beeindruckt haben. Nachgespielt wird die Geschichte durch Historiengruppen in der gesamten Altstadt, besonders im mehrfach aufgeführten Theaterstück im Kaisersaal.
Am ersten Septemberwochenende finden die Reichsstadt-Festtage statt. Dann ist die gesamte Altstadt ein riesiges mittelalterliches Lager. Einen Überblick über die Geschichte der Stadt bekommt man auch im „RothenburgMuseum“ oder im Kriminalmuseum.
Unbedingt auf die Stadtmauer
Museen sind nicht jedermanns Sache. Deswegen sei ein Spaziergang auf der Stadtmauer empfohlen. Der sollte auf keinen Fall fehlen. Die Altstadt ist noch komplett von einer Stadtmauer umgeben. Folgen kann man ihr über den vier Kilometer langen Turmweg. Informationstafeln geben Auskunft über die 42 Türme. Am besten holt man sich die Turmweg-Broschüre im Gästeservice am Marktplatz.
Nicht nur die Stadtmauer umgibt Rothenburg, sondern auch ein Grüngürtel. Dort finden sich tolle Spielplätze und Spazierwege. Besonders das Taubertal lädt zum Spazierengehen und Wandern ein.
Es gibt dreizehn durchgehend markierte und gepflegte Wanderwege, durch die man die mittelalterliche Stadt und das große Gebiet der ehemaligen Landhege erkunden kann. Die Rothenburger Landhege ist eine 62 Kilometer lange Landwehr und umschließt ein 350 Quadratkilometer großes Gebiet. „Rothenburg hat einen enorm hohen Freizeitwert“, sagt Oliver Gußmann. Da er nicht nur Touristen-, sondern auch Pilgerpfarrer ist, mag er die Wanderungen rund um die Stadt. Besonders die Tour, bei der man viele wunderschöne Blicke auf die Stadt hat. Die Länge der Strecken variiert zwischen 3,5 und knapp 23 Kilometern. Die Broschüre dazu hat der Gästeservice. Ebenso eine Radwanderkarte.
Apropos Freizeitwert: Es gibt ein schönes, gut gepflegtes Freibad – von Bäumen umgeben. Ein Geheimtipp ist die Wiesenwirtschaft „Unter den Linden“. Dort sitzt man unter Bäumen, Kinder – und Erwachsene – können in der Tauber planschen. Nicht weit davon entfernt liegt Detwang, wo ein Campingplatz an der Tauber liegt. „Man sollte definitiv etwas mehr Zeit für Rothenburg einplanen“, findet Oliver Gußmann.
• Informationen: www.rothenburg-tourismus.de. Der Gästeservice am Marktplatz ist derzeit täglich geöffnet. Telefon (0 98 61) 404-800, E-Mail: info@rothenburg.de. Pfarrer Oliver Gußmann ist zu erreichen: Telefon (0 98 61) 70 06 25, E-Mail: Oliver_Gussmann@yahoo.com.