Süderbrarup. Sie ist nicht mehr nur ein Schreckgespenst: Die Inflation sorgt seit Monaten dafür, dass vieles springhaft teurer wird. Strom, Wärme und Lebensmittel kosten plötzlich deutlich mehr, bei gleich bleibendem Budget. Manche müssen zu den Tafeln gehen, um über die Runden zu kommen. Auch in Süderbrarup, einem ländlichen Ort im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg: „Dramatisch“ nennt Andreas Glindmeier, der in dem Dorf die Tafel leitet, die aktuelle Situation. „Die überrennen uns inzwischen.“
Bis zu 150 Familien kommen, so Glindmeier. Das entspricht 600 bis 700 Personen, die durch die Tafel vor Ort versorgt werden, 25 Personen engagieren sich im Team ehrenamtlich, Träger ist die Diakonie. Jeden Freitag ist Ausgabetag. Das bedeutet: Dann werden die Lebensmittel, die teils von Privatpersonen, teils von Unternehmen gespendet wurden, an die Bedürftigen ausgegeben. „Es werden jede Woche mehr“, beobachtet Andreas Glindmeier: „Zuletzt sind 30 Personen aus der Ukraine dazu gekommen.“ Daneben gehen vor allem alleinerziehende Frauen mit ihren Kindern zur Tafel. Und ältere Frauen, deren Rente vorn und hinten nicht reicht.
Tafeln kommen kaum nach
Die Tafeln kämen mit dem Versorgen kaum noch nach, schildert Glindmeier. Denn zugleich würden nicht mehr, sondern eher weniger Lebensmittel gespendet – weil viele Betriebe wegen der hohen Preise gezielter einkauften und genauer als früher schauten, was weggegeben werde. Aufgrund der Situation habe die Tafel in Kappeln, der nahen Kleinstadt, bereits einen Aufnahmestopp verhängt, berichtet er. Weitere Menschen können dort keine Lebensmittel erhalten. So kommen sie zur Tafel nach Süderbrarup. „Soll ich die Leute nach Hause schicken? Nein – solange ich kann, mach’ ich es. Ich kann doch keine Mutter mit zwei Kindern wegschicken“, sagt Andreas Glindmeier. „Die sind alle hilfsbedürftig. Wir versuchen unser Bestes.“
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Unter der Woche holen die Freiwilligen die Produkte aus den Geschäften ab, sortieren sie. Am Freitagmittag beginnt die Ausgabe. Die Bedürftigen haben zuvor einmalig eine Farbe zugeteilt bekommen; nun werden im Viertelstunden-Takt alle mit der aufgerufenen Farbe durch das Geschäft geschleust. „Wir tauschen die Reihenfolge der Farben jede Woche, damit jeder mal der Erste ist, weil dann noch vieles da ist“, erläutert Glindmeier. Es gibt Gemüse, ein wenig Obst, Backwaren. Dazu Joghurt, Käse, Wurst – die Grundnahrungsmittel, aber Milch und Butter sind selten, Nudeln werden von Spendengeldern hinzugekauft. Zuletzt kommt der Kuchen. Die Teilnehmenden bezahlen ein geringes Entgelt für die Waren.
„Der Andrang bei den Tafeln ist riesig, denen fehlt es an Lebensmitteln“, registriert auch Pastor Christoph Tischmeyer von der Kirchengemeinde Angeln Süd. „Und das wird sich noch verschärfen“, prophezeit der Theologe. Die Kirchengemeinde, zu der mehrere Dörfer nördlich der Schlei zählen, will etwas tun, um die prekäre Lage der Tafeln zu lindern. So ruft Pastorin Nadja Jöhnk im Gemeindebrief dazu auf, zu helfen: Ab sofort werden haltbare Lebensmittel an Sammelstellen im Kirchenbüro in Tolk sowie in den offenen Kirchen in Struxdorf, Brodersby und Böklund entgegen genommen.
Gute Gabe im Gottesdienst
Wer will, kann seine oder ihre „gute Gabe“ auch einfach mit zum Gottesdienst bringen – der zuständige Pastor sorge dann dafür, dass Nudeln, Mehl, Kaffee, Konserven und Co. an die richtigen Adressaten weitergeleitet werden. „Wichtig ist, dass die Lebensmittel haltbar sind und ohne Kühlung auskommen“, so Pastorin Jöhnk: „Gemeinsam können wir etwas tun – wir freuen über Unterstützung!“