Eva Schemmelmann arbeitet in einem Integrationsprojekt für junge Geflüchtete in der offenen Jugendarbeit in Senden. „Wir haben es dort mit vielen Kindern mit herausforderndem Verhalten zu tun und haben immer schon vermutet, dass bei vielen dafür ein Trauma die Ursache sein könnte“, berichtete die Pädagogin. Das war die Motivation für Schemmelmann, ihre Teilnahme am Fachtag „Trauma-Wissen für die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Fluchterfahrung“ im Gemeindezentrum der Versöhnungskirche Wattenscheid-Höntrop. Insgesamt folgten 34 Mitarbeitende aus der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendhilfe der Einladung des Jugendreferates des Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid in Kooperation mit dem Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW).
Die evangelische Jugendarbeit in Westfalen hat sich auch auf den Weg gemacht, junge Geflüchtete nicht nur willkommen zu heißen, sondern sie auch an ihren Angeboten zu beteiligen. Das ist für beide Seiten bereichernd. Zugleich ist aber schnell klar, dass der gute Wille allein für diese Arbeit oft nicht reicht. Man erlebt die Verunsicherung und Verängstigung der jungen Geflüchteten, aber auch ihr Misstrauen und ihre Aggressivität, und man ahnt, dass vieles davon seine Ursache in ihrer Vergangenheit und traumatischen Erfahrungen in ihren Heimatländern und auf der Flucht hat.
Trauma-Wissen kann dabei helfen, Verhalten junger Geflüchteter besser zu verstehen und nicht falsch zu deuten. Das war der Anlass für Björn Langert vom Amt für Jugendarbeit der EKvW, einen Fachtag dazu anzubieten. „Bislang waren Traumatisierungen eher ein großes Thema in der Jugendhilfe. Durch junge Geflüchtete wird es nun auch zunehmend ein Thema in der offenen Jugendarbeit. Dem möchten wir uns qualifiziert stellen“, so Langert.
Reichlich Erfahrung und Fachwissen brachte für diesen Tag die Referentin Sabine Haupt-Scherer, Pfarrerin und Traumapädagogin, ebenfalls aus dem Amt für Jugendarbeit mit. Sie referierte zu den Grundlagen der Traumapädagogik. Dabei erläuterte sie, was überfordernde seelische Belastungen mit Existenznot für Veränderungen im Gehirn bewirken und welche Folgen das für das Denken, Fühlen und Verhalten von Traumatisierten hat.
Die Referentin vermittelte eindrücklich auch erste Verhaltensideen aus dem Repertoire der Traumapädagogik zu den drei Bereichen „Beruhigen und Sicherheit herstellen“, „Handlungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit ermöglichen“ und „Traumadynamik verstehen und verständigen“. Hinzu kamen erste Informationen dazu, was man besser unterlassen solle.
Am Ende standen diejenigen, die haupt-, neben- und ehrenamtlich mit jungen Geflüchteten arbeiten, im Mittelpunkt. Denn die Arbeit mit Traumatisierten ist nicht nur bereichernd, sie ist auch belastend. Denn ein Trauma kann gleichsam ansteckend wirken, und da ist es gut zu wissen, wie man sich davor schützen kann.
Traumatherapie sei oft nicht schnell zu bekommen und dann auch nur zu bestimmten Terminen. Traumapädagogik dagegen könne Tag für Tag im pädagogischen Alltag umgesetzt werden. Haupt-Scherer ermutigte die Anwesenden zu mehr pädagogischem Selbstbewusstsein.
Für Eva Schemmelmann hat sich die Anreise ins Ruhrgebiet gelohnt. „Ich hatte wirklich viele Aha-Erlebnisse. Ganz praktisch nehme ich mit, dass viel Bewegung angesagt ist und ich verstärkt darauf achten muss, selber ruhig zu sein.“ Auch Karin Burghardt, Mitarbeiterin in einer Wohngruppe für junge Geflüchtete, sieht den Tag als einen Gewinn für sich: „Es hat viel in meinem Kopf zurecht- gerückt. Vieles können wir jetzt einfach besser einschätzen.“
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Mit jungen überlasteten Seelen richtig umgehen
Seminar mit Expertin Sabine Haupt-Scherer vermittelte engagierten Mitarbeitenden aus Kinder- und Jugendarbeit und Jugendhilfe für die Arbeit mit jungen Geflüchteten wertvolles Trauma-Wissen. Neuauflage der Arbeitshilfe mit eigenem Kapitel dazu