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Mit Ecken und Kanten

Ein schiefes Etikett auf der Dose macht eine Gesichtscreme noch nicht unbrauchbar. Damit unperfekte Waren nicht auf dem Müll landen, betreibt Jessica Könnecke aus Fürth einen Internet-Handel – spezialisiert auf faire Produkte.

Jessica Könnecke prüft die Lagerbestände ihres Shops
Jessica Könnecke prüft die Lagerbestände ihres ShopsThomas Tijang / epd

Fürth. Beim Yogahandtuch ist die Verpackung eingerissen, das Bio-Körperpflege-Geschenkset stammt aus einer alten Kollektion und bei der veganen Seife läuft die Mindeshaltbarkeit in vier Wochen ab: Beim Fürther Online-Versender “Mit Ecken und Kanten” ist kein Produkt perfekt.

Gründerin Jessica Könnecke verkauft Dinge aus fairer Produktion, die aufgrund kleiner Macken von Verbrauchern nicht mehr gekauft werden und oft einfach in der Tonne landen würden. Ihre Mission: “Nachhaltigen und fairen Produkten eine zweite Chance zu geben.”

Sonst wird Ware zu Schrott

Gerade der boomende Online-Handel mit massenhaften Retouren sorgt für einen neuen Müllberg. Die Uni Bamberg hat berechnet, dass knapp vier Prozent der zurückgeschickten Artikel entsorgt und verschrottet werden. Das klingt nicht nach großen Mengen. Doch bei etwa 280 Millionen Paketen und 487 Millionen Artikeln im Jahr 2018 sind es knapp 20 Millionen Produkte.

Eine Kräutertinktur mit beschädigtem Etikett – im Handel nicht zu verkaufen
Eine Kräutertinktur mit beschädigtem Etikett – im Handel nicht zu verkaufenThomas Tijang / epd

Solche Produkte zu retten und zu reduzierten Preisen weiterzuverkaufen, macht für die 28-jährige Unternehmerin viel Sinn. Manchmal sei es nur ein kleiner Fleck vom Anprobieren, den ein neuer Käufer schnell rauswaschen könne. Manchmal sei bei Naturkosmetik oder Biotee einfach nur das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen, die eigentlichen Produkteigenschaften aber noch in Ordnung.

Nur das Etikett ist schief

Statt diese Sachen wegzuschmeißen, könne man bei Produkten mit kleinen Mängeln nachhaltigen Konsum praktizieren, wirbt die Betriebswirtin. Für die Herstellung der Waren werde schließlich immer die gleiche Menge an Ressourcen eingesetzt – “egal ob perfekt oder nicht”. Auf den Flaschen des Wildkräuterauszugs “Wohl” ist lediglich das Etikett schief oder mit leichten Falten aufgeklebt – für den klassischen Handel damit unverkäuflich, obwohl die Trinktinktur einwandfrei ist.

Mit ihrem Ansatz, unperfekten Lifestyle-Produkten eine zweite Chance zu geben, ist sie 2017 gestartet. Sie hatte ihre Masterarbeit zum Thema “Nachhaltigkeit in der Mode” geschrieben. Nach dem Studienabschluss wusste sie zunächst nicht, wie es beruflich losgehen sollte. Klar war nur: “Sinnvoll und nachhaltig soll mein Job auf jeden Fall sein.” Ihre Geschäftsidee entstand aus dem Kontakt mit Start-ups für nachhaltige Mode. Da fiel ihr auf, dass viele Produkte mit kleinen Schönheitsfehlern sowie Muster und Prototypen nicht verkauft werden können.

Offene Türen

Mit diesem Ansatz rennt sie bei aktuell bis zu 80 Partnern offene Türen ein, wie sie sagt. Kleine Hersteller sammeln etwa Retouren oder Mängelprodukte, um sie über den Unperfekt-Shop zu vermarkten. Die B-Ware wird deutlich günstiger verkauft. Das Sortiment ist auf derzeit rund 340 verschiedene Produkte angewachsen. Mal sind über 1.000 Stück vorrätig, mal gibt es von einem Produkt weniger als zehn Stück. Damit wird die Konsumentenerwartung, ein Produkt rund um die Uhr verfügbar zu haben, natürlich enttäuscht.

Junge Kunde

Der günstigere Preis ist allerdings nur ein Aspekt, warum Kunden überwiegend im Alter von rund 25 bis 40 Jahren bei ihr shoppen, wie Könnecke berichtet. Ein weiterer Grund sei das “Bewusstsein für nachhaltigen Konsum”, das im Trend liege. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass große Modemarken ihre Kleider, Blusen und Hemden teils lieber verbrennen.

Ins Angebot kommen allerdings nur neue Artikel, sie habe keinen Second-Hand-Shop, betont Könnecke. Auf die Anbieter, mit denen sie zusammenarbeitet, werde genau geschaut. Viele seien “Ein-Mann- oder Ein-Frau-Betriebe”, bei denen sich genau nachvollziehen lasse, wie und was produziert werde. Waren, bei denen die Online-Händlerin das Gefühl habe, Hersteller wollten ihren Shop “zum Greenwashing missbrauchen”, lehne sie ab.

Umgezogen in größere Räume

Außer ihr arbeiten zurzeit acht Mitarbeiterinnen und ein Mitarbeiter bei “Ecken und Kanten”, mit “Gleitzeit, Homeoffice und viel Flexibilität”. Angefangen hat Könnecke ohne Bankkredit zunächst in ihrem Arbeitszimmer, dann den Keller der Mutter in Beschlag genommen und ist danach in einen Miniladen in Nürnberg umgezogen. Erst vor kurzem hat das kleine Unternehmen dann ein altes Firmenareal in Fürth bezogen. (epd)