Jetzt ist er da, der Herbst. Die Tage werden kürzer, die Winde kälter. Draußen sitzen und das Gesicht in die Sonne halten, geht nur noch in ein paar wenigen Mittagsstunden.
Es gibt Menschen, für die ist das kein Problem. Die genießen es, einen Gang zurückzuschalten; sich ins geheizte Zimmer zurückzuziehen, auf dem Sofa einzukuscheln und ganz auf ihr Buch, die Fernsehserie oder das Strickzeug zu konzentrieren. Für andere ist das Ende des Sommers immer auch mit Wehmut verbunden: Die hellen, warmen Sonnenstunden bedeuten Fülle und Lebendigkeit – die Dämmerstunden des Herbstes und Winters dagegen Stillstand.
Und dann gibt es in diesem Herbst noch die, die sich über Corona Sorgen machen – und das sind fast alle, egal ob Sommer- oder Herbsttyp. Die Angst vor dem ungehemmten Ausbreiten des Virus in engen, schlecht belüfteten Räumen ist groß. Noch schmerzlicher als im Sommer werden wir in der kalten, dunklen Jahreszeit die Wärme und Geborgenheit menschlicher Nähe vermissen.
Dieser Herbst stellt uns vor schwere Aufgaben. Auch als Gläubige: Als Gottesdienste und Gemeindegruppen im kleinen Rahmen wieder möglich wurden, wuchs die Hoffnung – und die Ungeduld. Abendmahl und Singen in der Kirche schienen in erreichbarer Nähe. Jetzt entziehen die steigenden Ansteckungszahlen dieser Hoffnung die Grundlage. Alle Pläne für Konzerte, Feiern und sogar für die Weihnachtsgottesdienste stehen auf tönernen Füßen. Alles kann sich jederzeit wieder ändern.
Das ist frustrierend und zehrt an den Kräften. In erster Linie für die, die haupt- oder ehrenamtlich unendlich viel Mühe in die Vorbereitung nach immer neuen Vorschriften stecken. Aber auch für die, die sich nach Gemeinschaft im Glauben sehnen. Wir merken es ja in dieser Zeit noch stärker als sonst: Ein gemeinsames Gebet hat eine andere Dimension als das allein gesprochene; ein vielstimmiges Lied wirkt intensiver als ein Solo; ein Gespräch über Glaubensfragen hilft oft weiter als das einsame Grübeln.
Was aber tun, wenn wir auch in den kommenden dunklen Monaten auf all das weitgehend verzichten müssen? Ein Blick in die Bibel zeigt: Menschen haben auch dort Zeiten der Einsamkeit erlebt. Sie haben gehadert und getrauert – viele Beispiele dafür findet man etwa in den Psalmen. Sie haben sich bei Gott beklagt, haben ihm ihre Fragen vorgehalten, haben um Kraft zum Weitermachen gerungen und sind manchmal schier verzweifelt. Anfechtung nennt das die Bibel – Situationen, in denen unumstößlich geglaubte Sicherheiten ins Wanken geraten und nichts anderes bleibt, als sich Gott ganz anzuvertrauen.
Vielleicht ist das eine Aufgabe, die dieser Corona-Herbst uns stellt: Für uns und für andere die Gebete derer nachzubeten, die sich vor uns in einsamer, bedrängter, verzweifelter Lage befunden haben – und wie sie in all dem Trost und Hoffnung von Gott zu erwarten. Und außerdem ist uns aufgetragen, gut aufeinander zu achten und beharrlich miteinander das zu tun, was möglich ist in Corona-Zeiten.