Adventstürchen Nummer sieben ist heute das Zimmer 019 auf dem Wohnbereich E im Alten- und Pflegeheim Wichern-Haus Gerthe in Bochum. Punkt 17 Uhr treffen sich die Seniorinnen Eva Balke, Anna Enters und Auguste Manert mit Betreuungskraft Carmen Bergmann vor dem Zimmer und treten mit dem Weihnachtsbaum auf dem mit Rollen versehenen Schlitten ein. Die beiden Bettlägerigen schauen etwas erstaunt über den unerwarteten Besuch. Sie lächeln, als die vier Besucherinnen anfangen zu singen. Beim Lied „Es ist für uns eine Zeit angekommen“ gibt es Tränen der Rührung.
Aktion kam schon im letzten Jahr gut an
Hausleiterin Anke Rother vom Evangelischen Johanneswerk sagt über die Aktion „Adventszeit erleben“: „Wir haben sie 2015 als Versuchsballon gestartet. Da es gut ankam, findet dieses besondere Miteinander im Advent wieder statt.“ Täglich öffnet sich dabei eine andere (Advents-)Tür im Haus, die vorab eine Nummer bekam.
Diese Nummer steht auf der roten Kerze aus farbigem Tonpapier, die zum jeweiligen Türschmuck gehört. Die fitten Hausbewohner haben sie zuvor zusammen mit ehrenamtlichen Helfern und Mitarbeitern des Hauses im Bastelkreis hergestellt. Zwei Sterne und ein Weihnachtsbaum ergänzen den als Mobilee gestalteten Schmuck. „Die Idee dahinter ist wie die für den Schokoweihnachtskalender für Kinder“, schmunzelt Rother: „An jedem Tag wird für dieses Ritual eine neue Tür geöffnet.“ Allerdings immer wieder eine soziale Tür zu Hausbewohnern, die nicht mehr am Alltag der Pflegeeinrichtung teilnehmen können.
Zu diesem täglichen Ritual gehört, dass aktive Bewohnerinnen aus dem Haus zusammen mit einer der sechs Betreuungskräfte des sozialen Dienstes auf das „geöffnete Zimmer“ gehen. Sie bringen immer den „rollenden Weihnachtsbaum“ mit. Und die Laterne. Nach dem ersten Lied wird die Kerze in der Laterne entzündet. Eine der mitgekommenen Hausbewohnerinnen hängt zudem am Ende der Aktion einen gelben Stern an den Weihnachtsbaum, wenn es die Besuchten nicht mehr selbst können. Dieser steht dann symbolhaft für das besuchte Zimmer und dass deren Bewohner nicht vergessen sind. Eine Geschichte, ein Vers aus dem Krabbelsack und zwei gemeinsam gesungene Advents- oder Weihnachtslieder vervollständigen das Ritual, bevor alle wieder das Zimmer verlassen.
Das Schöne dabei: Auch die Lippen der Zimmerbewohnerinnen bewegen sich, die Freude steht ihnen im Gesicht geschrieben. Manchmal kommen ihnen auch Tränen. Der Adventsbesuch ist ein emotionaler Moment, der aus dem Alltag zwischen Bett und Zimmerdecke herausbricht.
Zum Abschied gehört auch der Händedruck. „Ich komme wieder zu Besuch vorbei“, verspricht Auguste Manert, als sie der alten Dame im Bett die Hand reicht. Diese lächelt sichtlich erfreut. Für die 44-jährige Hausleiterin ist das ein schönes Zeichen. „Die Menschen hier im Hause kommen durch unsere Adventsaktion miteinander in Kontakt und einander näher“, freut sie sich.
„Wir haben immer mehr Bettlägerige sowie Demente und unruhige Menschen im Hause“, erklärt Anke Rother. „Für sie wollten wir die Advents- und Weihnachtszeit mit einem neuen Ritual wieder besinnlich erlebbar machen“, so die gelernte Altenpflegerin und Pflegewissenschaftlerin weiter.
Das hieß für Diakonin Inga Schulze-Steinen, die die Aktion „Adventszeit erleben“ im Team mit sechs Betreuungskräften im Hause entwickelte, auf bekannte Symbole wie den Adventskalender und den Weihnachtsbaum zurückzugreifen. Der Hörnerschlitten, der an vergangene Winterfreuden erinnert, kam hinzu. Allerdings verbessert mit einem Rollwagen unter den Kufen. „Der Weihnachtsbaum muss schließlich mobil sein, damit wir ihn von Zimmer zu Zimmer, von Etage zu Etage ziehen können“, erklärt die Betreuungsmitarbeiterin.
Die Kerze, die den Sicherheitsvorschriften genügen muss, die Sterne und das gemeinsame Singen kamen hinzu. Im abgedunkelten Zimmer der Besuchten entsteht dadurch eine weihnachtliche Atmosphäre. Carmen Bergmann: „Es ging uns darum, etwas zu schaffen, was die alten Menschen aus ihren Kindheitstagen damit verbinden.“
Wie sehr das Entwicklungsteam dieses Erleben der Adventszeit bei den Hausbewohnern treffen, berichten wenig später Anna Enters und Auguste Manert. „Das Singen bei Kerzenlicht vor dem selbst hergestellten Adventskranz sowie am Weihnachtsbaum gehörte für mich immer zu Weihnachten dazu“, erklärt Manert. Dieses Ritual brachte sie ihren drei Söhnen und später auch ihren Enkelkindern näher.