Der rheinische Präses Thorsten Latzel hat eine weitere Aufarbeitung des Themas Missbrauch in der rheinischen Kirche zugesichert. „Die Betroffenen haben ein Anrecht darauf, dass wir das konsequent aufarbeiten und nicht bloß abarbeiten“, sagte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland der „Kölnischen Rundschau“ (Freitag) mit Blick auf die am Donnerstag veröffentlichte Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie. Latzel kündigte Einzelstudien sowie eine regionale Aufarbeitungsstudie gemeinsam mit der westfälischen und lippischen Landeskirche sowie der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe an.
In der rheinischen Kirche gebe es bereits „intensive Präventions- und Interventionsmaßnahmen“, sagte der Präses. „Wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, muss ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.“ Es gebe Schutzkonzepte, Präventionsschulungen, Melde- und Beratungsstellen. „Aber wir müssen schauen, ob diese Maßnahmen reichen. Wir müssen lernen, wo es Nachbesserungsbedarf gibt.“
Im Vordergrund müsse jetzt stehen, auf die betroffenen Menschen zu hören und die Studie konsequent auszuwerten, betonte Latzel. „Hinter jedem dieser einzelnen Fälle steht erlittenes Unrecht, steht das Leid von einzelnen betroffenen Menschen und steht schuldhaftes Versagen von Verantwortungsträgern unserer Kirche.“
Bei den Anerkennungsleistungen müsse es zudem ein einheitliches Vorgehen geben, forderte der rheinische Präses. Nötig seien „einheitliche, verlässliche Standards in allen 20 Landeskirchen, die wir mit den Betroffen gemeinsam klären“.
Das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragte Forscherteam hatte am Donnerstag in Hannover seine Studie vorgestellt. Demnach gab es auch in der evangelischen Kirche und in Einrichtungen der Diakonie weit mehr sexualisierte Gewalt als bislang angenommen. In der Studie ist die Rede von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern. Die Forscher entdeckten spezifische Risikofaktoren, die Missbrauch und auch dessen Vertuschung in der evangelischen Kirche und der Diakonie begünstigt haben.