Der Sprecher der Betroffenen von sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Detlev Zander, hat am Donnerstagabend die Synodalen der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig aufgefordert, der Aufarbeitung von Missbrauch Priorität einzuräumen. Ohne Antworten auf die Fragen, warum die Taten passieren konnten, warum weggeschaut wurde, nützten alle Schutz- und Präventionskonzepte nichts, sagte Zander vor dem in Königslutter bei Helmstedt tagenden Kirchenparlament. Die Synode läuft bis Sonnabend.
Zander betonte, er sei froh, vor dem Kirchenparlament sprechen zu können. „Das ist keine Selbstverständlichkeit.“ Mit dem braunschweigischen Landesbischof Christoph Meyns sei er seit Jahren im Gespräch. Die Gespräche seien oft kontrovers gewesen, aber Meyns habe sich immer für die Betroffenen eingesetzt. „Es müsste mehr solche Kirchenleitenden geben wie ihn.“ Meyns war Mitglied im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD.
Die Kirche hat Zander zufolge ein „Riesenproblem“ mit sexualisierter Gewalt. „Das Thema geht alle an, auch wenn es nervt“, betonte er. Er forderte die Synodalen auf, alle nötigen Mittel, finanziell wie personell, für Fachstellen zur Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt zur Verfügung zu stellen. „Sie müssen unabhängig arbeiten können.“
Landesbischof Christoph Meyns zeigte Verständnis für Zanders Forderung, die Aufarbeitung und Anerkennung zurückliegender Missbrauchsfälle unabhängig von der Verjährung mehr als bisher in den Fokus zu rücken. Der Umgang mit den Betroffenen sei bisher nicht sensibel und professionell genug. „Da müssen wir besser werden.“
Die 37 Synodalen nahmen einstimmig einen Antrag von Martina Helmer-Pham Xuan an, der Vizepräsidentin der Landessynode, notwendige Ressourcen für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt auf dem Gebiet der braunschweigischen Landeskirche zur Verfügung zu stellen. Ferner beauftragten sie die theologische Kammer, spirituelle und theologische Faktoren zu analysieren, die sexualisierte Gewalt begünstigen und zur Herbsttagung im November einen Bericht vorzulegen.
Die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig zählt als eine von 20 Landeskirchen in Deutschland rund 284.000 Mitglieder in 270 Gemeinden. Ihr Gebiet erstreckt sich von Wolfsburg bis zum Südrand des Harzes.