Mit gemischten Gefühlen sieht Kerstin Krebs der Synode der Landeskirche Hannovers entgegen. Einerseits fühle sie sich als Betroffene sexualisierter Gewalt ernst genommen. Andererseits sei sie doch enttäuscht. „Warum ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen, warum die Betroffenen der Diakonie? Diakonie und Kirche sind untrennbar“, sagt Kerstin Krebs, die in Kindheit und Jugend mehrfach sexualisierte Gewalt in der Kirche erfuhr. Trotz dieser Zweifel wird sie vor der Synode sprechen – und zwar am Mittwoch, 26. November.
Anfang Oktober hatte sich das Präsidium der Landessynode an Personen gewandt, die von sexualisierter Gewalt in der Landeskirche betroffen sind, und sie ermutigt, entweder am Mikrofon vor der Synode zu sprechen oder einen Redebeitrag einzusenden, der den Synodalen vorgetragen werden solle. Drei Stunden sind dafür vorgesehen. Geplant ist auch ein „Dialograum“, in dem sich Betroffene und Synodale im Anschluss treffen und den Dialog fortsetzen können.
Um einen geschützten Rahmen zu schaffen, solle die Öffentlichkeit von allen Redebeiträgen jedoch ausgeschlossen werden, hieß es. Doch gerade diese Einschränkung ärgert Betroffene, darunter Kerstin Krebs. „Der Kirche geht es um die Schlagzeile, dass Betroffene vor der Landessynode sprechen dürfen. Aber in Wirklichkeit ist es eine Alibiveranstaltung, die einen Fortschritt bei der Aufarbeitung suggerieren soll.“
Öffentlichkeit muss Druck auf Kirche ausüben
Bei der eigentlichen Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt sei die Kirche kaum einen Schritt vorangekommen. „Wir brauchen dazu den öffentlichen Dialog. Denn die Öffentlichkeit kann Druck machen und uns Betroffenen damit Rückhalt geben“, betont Krebs.
Krebs möchte den Synodalen auf den Weg geben, wie sehr der mehrfache Missbrauch ihr Leben bis heute beeinträchtige. „Ich kann keinen Talar, keine Robe sehen, ohne erinnert zu werden.“ Selbst Glockengeläut sei für sie eine Belastung. „Die Traumafolgen beschränken mein Leben auf existenzielle Weise.“ Von den Synodalen wünsche sie sich, dass sie die Aufarbeitung in der Kirche vorantreiben.
Von Landesbischof Ralf Meister zeigt sich Krebs indessen enttäuscht. „Er stellt sich nicht infrage und wird seine Haltung auch nicht mehr ändern“, vermutet die Betroffene. „Ich bezweifele, dass er das viel geschundene Wort vom Kulturwandel innerhalb der Kirche umsetzen kann.“
Per Zoom hätte die Privatsphäre geschützt werden können
Per Zoom gebe es technische Möglichkeiten, die Privatsphäre derjenigen Betroffenen zu schützen, die es wünschen, und gleichzeitig Öffentlichkeit für die anderen herzustellen. Sie vermutet deswegen, dass die Kirche eine kritische öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema scheue. Es werde ausgesessen statt aufgeklärt.
Dieses Vorgehen erinnert Kerstin Krebs an die Landessynode Mitte vergangenen Jahres, zu der einige Betroffene kurzfristig eingeladen waren. „Damals durften Betroffene nur in Kleingruppen sprechen und Fragen der Synodalen beantworten“, sagt Krebs. Ein Betroffener hätte gerne auch öffentlich vor der Synode gesprochen. „Darüber wurde minutenlang diskutiert, bis es abgelehnt wurde.“ Auf ihre spätere schriftliche Kritik sei nur mit Worthülsen reagiert worden. „Wir Betroffenen waren einfach nur fassungslos.“
