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Missbrauch: Kommission bemängelt Aktenführung im Bistum Trier

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich des Bistums Trier kritisiert erneut die bisherige Aktenführung. Auch in der jüngeren Vergangenheit hätten „Versäumnisse bei der Führung von Sach- und Personalakten den Informationsstand der Verantwortlichen beeinträchtigt und rasche, falladäquate Reaktionen bei Missbrauchsfällen vereitelt“, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten zweiten Zwischenbericht. Die Initiative „Missbrauchsopfer & Betroffene im Bistum Trier“ (MissBiT) sieht darin ein „vernichtendes Urteil“ für die bischöfliche Aktenführung: „Die mangelhafte Aktenführung ist bisher in jeder Studie kritisiert worden; das wird nicht ernst genommen.“

Kommissionsmitglied Lutz Raphael erklärte, bei der Forderung nach Verbesserungen in der Aktenführung gehe es nicht um das Thema Vertuschung. Vielmehr müssten Praktiken abgestellt werden, die zu Fehlern im Bistum führten, erläuterte der Historiker der Universität Trier. So fehlten in Personalakten in fünf Fällen Hinweise auf sexuellen Missbrauch, sodass die Verantwortlichen gar nicht über viele mögliche Verfehlungen informiert gewesen seien. Die Direktorin des Trierer Bistumsarchivs und Kommissionsmitglied, Monica Sinderhauf, sagte, das Problem werde mit der fortschreitenden Digitalisierung noch zunehmen. Akten würden teilweise analog, teils im PC abgelegt, ohne dass sie zusammengeführt würden.

Positiv bewertete die Kommission wiederum die Einrichtung von bistumsinternen Arbeitsgruppen, die unter anderem eine unabhängige Ombudsstelle sowie eine „Koordinierungsstelle Akteneinsicht“ umsetzen. Die Ombudsstelle werde „ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Betroffenenorientierung sein, der weit über die Grenzen des Bistums hinaus Anstoß sein kann, den Anliegen und Bedürfnissen von Betroffenen sexuellen Missbrauchs besser als bisher gerecht zu werden“. Sie sollte organisatorisch und finanziell unabhängig konzeptioniert sowie implementiert werden, forderte die Aufarbeitungskommission.

Der Kommissionsleiter und frühere rheinland-pfälzische Justizminister, Gerhard Robbers, betonte, die Akteneinsicht für Betroffene müsse endlich erleichtert werden. So braucht es dem Bericht zufolge „eine erschöpfende und zügige Einsicht in alle Unterlagen und Datenbestände“ auch außerhalb des Bistums Trier. Ähnlich äußert sich MissBit. Schon allein aus Nachweisgründen bei anstehenden Schmerzensgeldprozessen sei die bedingungslose Akteneinsicht für Betroffene nötig.

Die Kommission hatte im Jahr 2021 ihre auf sechs Jahre angelegte Arbeit aufgenommen. Mitglieder sind neben Robbers, Sinderhauf und Raphael, Uwe Christoffer und Karl-Horst Wirz für den Betroffenenbeirat, die Psychologin Petra Hank und der frühere Abteilungsleiter im Saar-Sozialministerium, Herbert Heyd.

Nach derzeitigem Stand einer begleitenden Studie sind bisher die Fälle von 579 Opfern und von 227 Beschuldigten im Zeitraum von 1946 bis 2021 dokumentiert. Bei der Vorlage des ersten Zwischenberichts im vergangenen Jahr waren 513 Betroffene und 195 Beschuldigte bekannt.

Im zweiten Zwischenbericht beschreibt die Kommission mehrere Einzelfälle, darunter den Fall des inzwischen verstorbenen Geistlichen Claus Weber, der unter anderem in Bolivien Minderjährige missbraucht haben soll. Der Umgang der Verantwortlichen im Bistum Trier – darunter der von 1981 bis 2001 zuständige Bischof Hermann Josef Spital – „zeigt nach jetzigem Stand der Erkenntnisse exemplarisch, dass es ihnen primär um den guten Ruf der Kirche und ihrer Repräsentanten ging“, heißt es in dem Bericht. Nach Ansicht von MissBit zeigt die Causa Weber, dass Vertuschung „zur DNA der Kirche“ gehöre.

Die Kommission will am 13. Dezember in einem weiteren Bericht die Causa Dillinger bilanzieren. Im September hatten die dafür beauftragten früheren Staatsanwälte Jürgen Brauer und Ingo Hromada einen ersten Zwischenbericht vorgestellt. Der katholische Priester Edmund Dillinger (1935-2022) soll über Jahrzehnte hinweg Missbrauchstaten und sexuelle Übergriffe dokumentiert haben. Nach dessen Tod im Alter von 87 Jahren hatte sein Neffe Fotos und Filme gefunden.