Im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung in der rheinischen Kirche lassen auch die Kirchenkreise Bonn und Bad Godesberg-Voreifel die Personalakten der vergangenen Jahrzehnte auf Hinweise untersuchen. Die Sichtung habe am 1. Oktober begonnen, erklärte der Kirchenkreis Bonn am Mittwoch. Dabei würden fünf externe Fachleute, vier Kriminalbeamte im Ruhestand und eine ehemalige Richterin, alle vorhandenen Personalakten nach Hinweisen auf sexualisierte Gewalt durch kirchliche Mitarbeitende in den vergangenen Jahrzehnten untersuchen. Auch die Archive der Kirchengemeinden würden geprüft.
Die Kirchenkreise erwarten, dass der Prozess einige Monate in Anspruch nehmen wird. Die weitreichende Aktensichtung solle dazu beitragen, mögliche Verfehlungen durch die Kirche zu erkennen, aufzuarbeiten und zu verstehen, wie Verantwortliche angemessen mit Verdachtsfällen umgehen müssen. „Wir wollen alles tun, um Fehlverhalten als solches klar zu erkennen, wo angezeigt, auch strafrechtliche Untersuchungen in die Wege zu leiten und für die Zukunft weiter zu lernen“, erklärten Superintendentin Claudia Müller-Bück und Superintendent Dietmar Pistorius. Betroffene können sich bei Vertrauenspersonen der Kirchenkreise oder bei der „Zentralen Anlaufstelle.help“ melden.
Im Kirchenkreis Gladbach-Neuss ist die Arbeit dagegen schon abgeschlossen. Dort haben sechs pensionierte Polizeibeamte 565 Stunden lang rund 6.000 Personalakten der hauptamtlichen Mitarbeitenden der 22 evangelischen Kirchengemeinden aus den letzten sieben Jahrzehnten unter die Lupe genommen, wie der Kirchenkreis am Mittwoch mitteilte. In 18 Akten habe das Screening-Team zwar keine konkreten Verdachtsfälle, aber Auffälligkeiten entdeckt, wie etwa eine Kündigung ohne Erläuterung der Gründe oder das plötzliche Wegbleiben einer bis dahin äußerst zuverlässigen Praktikantin, hieß es.
Alle auffälligen Akten sind den Angaben zufolge an die Stabsstelle Prävention, Intervention und Aufarbeitung (PIA) der rheinischen Kirche weitergeleitet worden, die sie werden von unabhängigen Staatsanwälten genauer prüfen lässt. „Die Forum-Studie hat gezeigt, dass es in der evangelischen Kirche eine Verantwortungsdiffusion gab, wo klares Leitungshandeln notwendig gewesen wäre“, erklärte der Gladbacher Superintendent Dietrich Denker. „So wurden Täter geschützt.“ Die Aufarbeitung der Vergangenheit sei wichtig, um die Betroffenen in ihrem Leid wahrzunehmen und anzuerkennen.
Die systematische Sichtung aller Personalakten ist ein Projekt, das sich die Evangelische Kirche im Rheinland insgesamt vorgenommen hat. Nach einem Pilotprojekt im Kirchenkreis Wuppertal sind weitere Prüfungen unter anderem in den Kirchenkreisen Moers, Solingen und Krefeld angelaufen. Untersucht werden die Akten von Pfarrpersonen und von hauptamtlichen Mitarbeitenden.