Fehlende Selbstkritik und Geschichtsklitterung – der Erlanger Menschenrechtsexperte Bielefeldt vermisst in der Vatikan-Erklärung zur Menschenwürde eine Auseinandersetzung mit der Schattenseite der Kirchengeschichte.
Der Menschenrechtsexperte Heiner Bielefeldt vermisst im Vatikan-Dokument zur Menschenwürde Selbstkritik. Es sei “Geschichtsklitterung”, zu behaupten, die Kirche habe sich von ihrem Anfang an um Freiheit und die Rechte aller Menschen bemüht, schreibt der Erlanger Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik in einem Beitrag für die Zeitschrift “Stimmen der Zeit” (Novemberausgabe) über die Erklärung “Dignitas infinita”. Das Engagement insbesondere von Papst Pius IX. (1846–1878) gegen Religionsfreiheit, religiösen Pluralismus und säkulare Staatlichkeit werde mit keinem Wort erwähnt. “Wäre es nicht angemessen, in einem Papier über Menschenwürde und Menschenrechte auch die lange Tradition des kirchlichen Antiliberalismus und der daraus resultierenden Friktionen mit der modernen Welt gründlich aufzuarbeiten?”, fragt Bielefeldt.
Zu kurz komme in der im April veröffentlichten Erklärung die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt in der Kirche. “Hier wäre der Ort für eine durchgreifende Selbstkritik der Kirche gewesen, die einschlägige Vorfälle in ihrem Inneren allzu lange geduldet, ignoriert, geleugnet und verdeckt hatte”, so Bielefeldt. Bis heute fehle es vielerorts an der Bereitschaft kirchlicher Instanzen zur rückhaltlosen Aufklärung. Die knappen Hinweise in dem Papier blieben hinter dem Minimum dessen, was man erwarten könne, zurück.