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Mehr als nur Zahlungsmittel – Ökonom McWilliams schreibt über Geld

Haben Sie heute schon Geld ausgegeben? Vielleicht haben Sie dafür Lebensmittel erhalten oder eine Dienstleistung. Doch Geld kann noch viel mehr: Es bringt Fortschritt, Macht, spaltet und vereint.

Geld verdirbt den Charakter; Geld stinkt nicht; Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert. Über Geld gibt es zahlreiche Redewendungen, die längst nicht immer schmeichelhaft sind. Verwunderlich ist das nicht, ist Geld doch eine der größten – wenn nicht gar die größte – Erfindung der Menschheit. Der irische Wirtschaftswissenschaftler David McWilliams widmet dieser Beziehung mit “Money – Eine Geschichte der Menschheit aus Perspektive des Geldes” nun ein ganzes Buch; und das ist alles andere als staubtrocken, abstrakt und zahlenlastig.

Bargeldloses Zahlen hin oder her: Wer aus dem Kleingeldfach seines Portemonnaies eine Ein-Euro-Münze aus Griechenland kramt, den blickt eine Eule mit großen Kulleraugen an. Neu ist die Abbildung nicht. Bereits in der Antike war die Tetradrachme mit ebendieser Eule auf der einen und Athene, Göttin der Weisheit, auf der anderen Seite die am häufigsten geprägte Münze. Sie war im Mittelmeerraum wie am Schwarzen Meer gebräuchlich. Mehr als 120 Millionen Exemplare wurden schätzungsweise geprägt.

Die Münzen stellten, so beschreibt es McWilliams, die Gesellschaft auf den Kopf. Sie vereinfachten im Vergleich zum Warentauschhandel Transaktionen enorm und schafften zugleich ein gewisses Maß an sozialer Mobilität. Ebenfalls wichtig: “Rationalität gewinnt gegenüber den Emotionen an Bedeutung, und hartes Denken stellt die Einhaltung von Regeln in Frage.”

Es ist nur eines von zahlreichen Beispielen, wie Geld die Menschheit geprägt hat – eine Entwicklung, die keineswegs linear verläuft. Ein Sprung ins Mittelalter, Bau- und Blütezeit der Kathedralen und Klöster. Finanziert wurden diese durch den Zehnten, eine Zwangsabgabe der örtlichen Bauern, sowie durch Spenden der Ritter, die wiederum ihren Pächtern Geld abpressten. Das Geld zirkulierte also nicht frei, der Handel schrumpfte, der Fortschritt kam zum Erliegen. Erst die Entwicklung eines schweren Metallpflugs – vermutlich im heutigen Ungarn – sorgte für ein beständiges Wirtschaftswachstum. Zur effizienteren Organisation des Handels kehrte das Geld zurück und blieb.

Geld ist allerdings auch Mittel zur Machtdemonstration, Einheitsfaktor und symbolkräftiges Instrument. Ein Beispiel ist der US-Dollar, der 1785 entstand. Untrennbar ist er mit dem Unabhängigkeitskrieg (1775-1783) der 13 nordamerikanischen Kolonien gegen das britische Mutterland verbunden. Anschließend brauchte man nicht nur ein gemeinsames, verbindliches Zahlungsmittel, sondern auch etwas Einendes. Der Siegeszug des Dollars ließ nicht lange auf sich warten. Bis heute ist er Zweitwährung in vielen Ländern und steht dort für Stabilität und wirtschaftlichen Erfolg. Der Euro wiederum steht, so bewertet es McWilliams, für “ein größeres supranationales politisches Projekt”.

Geld kann aber auch zur Destabilisierung eingesetzt werden, wie das “Unternehmen Bernhard” während des Zweiten Weltkriegs zeigt. Im Konzentrationslager Sachsenhausen wurden 142 jüdische Häftlinge gezwungen, vor allem britische Pfundnoten zu fälschen. Die Überlegung: Werden diese in Umlauf gebracht, führt das zu einer Hyperinflation und schwächt damit Wirtschaft und politisches System in Großbritannien. Tatsächlich wurde das Falschgeld unter anderem zur Beschaffung von kriegswichtigen Gütern und zur Bezahlung ausländischer Spione eingesetzt.

Mit seiner Reise durch die Geschichte des Geldes legt David McWilliams offen, wie zentral es für bedeutende Entwicklungsschritte ist – materielle, gesellschaftliche wie gedankliche. Er beschreibt, welche Magie und Macht von ihm ausgeht, aber auch, welch zerstörerische Kraft es entfalten kann. Jede Gesellschaft, jede Epoche entscheidet zumindest bis zu einem gewissen Grad darüber, ob ein überlegter, konstruktiver Umgang mit Geld gelingt. Wesentliche Voraussetzung dafür: Eine möglichst breite Schicht muss Zugang dazu haben.

Kurzum: “Money” ist ein durch und durch gelungenes Buch, das auch Laien Lesefreude bereitet.