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Mehr als nur eine Zahl

Mit einem Account auf Instagram bietet der Hamburger Theologe Jakob Pape Angehörigen von Corona-Verstorbenen die Möglichkeit zum Trauern. Es ist ein öffentliches Gedenken und eine Form von digitaler Seelsorge.

Hamburg (epd). Jeden Tag sterben Menschen an Corona. In den Nachrichten sind sie nur eine Zahl, die Menschen und Schicksale dahinter bleiben meist unbekannt. Dem setzt der Theologe Jakob Pape, Vikar in der Hamburger St. Andreas Gemeinde in Harvestehude, seinen Instagram-Account «mehralsnureinezahl» entgegen. Seit Dezember bietet der Kanal in den sozialen Medien allen Menschen einen Raum für
öffentliches Gedenken. Gerade jetzt sei das gemeinsame Trauern wichtig, sagt Pape. «Ich möchte, dass wir das nicht vergessen, wenn wir in unserem Krisen-Corona-Modus sind.»

   Pape legt bei diesem Gedenken Wert darauf, dass die Anonymität der Verstorbenen in den sozialen Medien gewahrt und gleichzeitig die Persönlichkeit sichtbar wird. «Das ist ein ziemlicher Spagat.» Aus den Gesprächen mit Angehörigen gestaltet er eine Gedenk-Kachel. Auf grauem Grund mit weißer Schrift erscheint ein Vorname, ein Zitat oder Lebensmotto des Verstorbenen, dazu zwei Polaroids, die er passend für die Person aussucht.

   Mehr als 30 Angehörige haben bisher mit dem Vikar Schicksale geteilt und um einen öffentlichen Gedenk-Post auf dem Account gebeten. Zwar ohne Portrait des Verstorbenen, dafür mit HSV-Raute, der Lieblings-Eisenbahn oder einem Lebensmotto. Die Anonymität hat für Pape einen Grund: «Ich würde es ganz unangenehm finden, wenn in einem halben Jahr jemand kommt und seinen Onkel, seinen Vater oder seine Oma bei Instagram sieht – das aber selbst für sich nicht
möchte.»

   Jakob Pape selbst stellt sich auf dem Account mit Namen vor. Er erklärt, dass er angehender Pastor ist, um authentisch und ansprechbar zu sein. Dadurch gibt er Angehörigen die Möglichkeit, mit ihm ins Gespräch zu kommen und ihre Trauer zu teilen. «Und das sind auch bis jetzt durch die Bank wirklich spannende Persönlichkeiten und berührende Geschichten, die ich da lesen darf.» Es sind Einzelschicksale, die für ihn einen Zusammenhang haben und deutlich machen: Es gibt dieses Virus und daran sterben Menschen.

   Für den angehenden Pastor ist das Projekt nicht nur ein Herzensanliegen, sondern eine Form von Seelsorge. Außerdem ist das Angebot ein Signal für jeden, der gerade trauert: «Um es bei Insta zu sagen: Für alle Filterblasen ist Trauer gleich relevant und da soll sich niemand ausgeschlossen fühlen.»