Männer und Frauen sind gleich – vor dem Grundgesetz. Was das Kranksein angeht, können sie bei derselben Erkrankung unterschiedliche Symptome haben. Ein Mediziner fordert mehr Aufmerksamkeit dafür.
Weibliche Patienten werden noch zu selten spezifisch betrachtet und behandelt: Das kritisiert der Mediziner Michael Becker. So arbeiteten Frauenherzen beispielsweise anders als die von Männern, sagte er der “Bild am Sonntag”. “Häufig sind das kleine Unterschiede, die aber bekannt sein müssen, um Beschwerden richtig einordnen und behandeln zu können.” Vor kurzem hat Becker das Buch “Herzenssache. Warum Frauenherzen anders schlagen” veröffentlicht.
Immer wieder kämen Frauen mit falschen Untersuchungsergebnissen und falscher Medikation zu ihm. Wenn die Medikamente nicht wirkten, würden Beschwerden “als psychisches Problem abgestempelt”, kritisierte der Chefarzt für Kardiologie und Intensivmedizin am Rhein-Maas-Klinikum Würselen in NRW. “Frauen nehmen Schaden oder sterben, weil Ärzte sie nicht ernstnehmen.”
Die Herzen von Frauen hätten kleinere Herzkammern, aber eine stärkere Pumpkraft als die von Männern, erklärte Becker. Insofern sei die Stressreaktion unterschiedlich: “Bei einer Frau steigt die Herzfrequenz, beim Mann der Blutdruck.”
So zeigen Frauen etwa bei einem Herzinfarkt oft unspezifische Symptome wie Kurzatmigkeit, Hals- und Nackenschmerzen, Schmerzen zwischen den Schulterblättern oder im Oberbauch, Atemnot, Übelkeit und Erbrechen oder allgemeine Schwäche. Die Symptome von Männern sind meist klar zuzuordnen: starke Schmerzen in der Brust, die ausstrahlen können, kalter Schweiß, Schwindelgefühl und Todesangst.
Untersuchungen haben laut Becker gezeigt, dass Frauen, die mit Beschwerden einen Krankenwagen rufen, seltener eine Blutabnahme sowie ein EKG erhalten und auch seltener ins Krankenhaus gebracht werden. Zudem werde eher ein Krankenwagen gerufen, wenn ein Mann auf der Erde liege, weil Umstehende eher einen Herzinfarkt vermuteten. Auch nähmen Frauen selbst sich häufiger zurück, redeten ihre Beschwerden mitunter klein.
Der Experte kritisierte darüber hinaus, dass Medikamente in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich an Männern getestet worden seien. Im weiblichen Körper hätten Medikamente oft eine höhere Konzentration, wirkten länger und mit mehr Nebenwirkungen.