Die rassistischen Ausschreitungen in England sind nach Einschätzung der Medienwissenschaftlerin Lena Frischlich auch auf gezielte Desinformationen im Netz zurückzuführen. Daran seien rechtsextreme Gruppierungen wie die English Defence League beteiligt gewesen, sagte die Professorin vom Digital Democracy Centre an der Uni Süd-Dänemark in Odense am Donnerstag im Radiosender WDR5. „Sie betten das ein in die grundlegende Erzählung, dass Angriffe vor allem von migrantischen Personen ausgehen.“
Nach einer tödlichen Messerattacke auf eine Kindergruppe in Southport am 29. Juli hatte es Falschnachrichten gegeben, wonach der Angreifer ein Asylbewerber mit arabischem Namen gewesen sein sollte. Nach Polizeiangaben handelte es sich aber um einen in Wales geborenen 17-jährigen Sohn ruandischer Einwanderer aus einer christlich geprägten Familie. In der Folge kam es zu gewaltsamen rechtsextremistischen und antimuslimischen Demonstrationen und Ausschreitungen, bei denen auch Moscheen und Asylbewerberunterkünfte angegriffen wurden. Viele Polizeikräfte wurden verletzt, mehr als 400 Randalierer festgenommen.
Die Idee hinter der Verbreitung solcher Falschnachrichten sei, „stehendes Potenzial an Unzufriedenheit anzustacheln“, sagte Frischlich. „Das machen rechtsextreme Gruppierungen in ganz vielen Kontexten.“ In Deutschland habe man etwa bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen solche Versuche gesehen, die Unzufriedenheit mit dem Staat auszunutzen und für die eigene Agenda zu instrumentalisieren.
In Großbritannien gehe es darum, einen Sündenbock zu finden für eine generelle Unzufriedenheit, die unterschiedliche Gründe habe, etwa die Inflation oder Probleme im Gesundheitswesen, erläuterte die Medienexpertin. Das Vertrauen in staatliche Institutionen, aber auch in die Medien sei nicht sehr hoch. Dieses Misstrauen werde ausgenutzt und instrumentalisiert. Zudem gebe es in England ohnehin einen sehr fremden- und ausländerfeindlichen Diskurs: „Es wird viel darüber geredet, die Grenzen dichtzumachen und Ausländer rauszuhalten.“
Durch einzelne Korrekturversuche wie etwa eine Richtigstellung durch die Polizei könne eine solche Dynamik nicht wieder eingefangen werden, sagte Frischlich. Vielmehr gehe es darum, den Ursprung der Unzufriedenheit zu bekämpfen, wieder Vertrauen herzustellen und den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl zu vermitteln, dass der Staat für sie da ist. „Außerdem kann man Menschen aber auch aufklären über Mechanismen von Fehlinformationen“, empfahl die Wissenschaftlerin.