“Masterplan” setzt sich so differenziert wie konstruktiv mit der Correctiv-Recherche zum “Potsdam-Treffen” auseinander. So erfährt man viel über Hintergründe. Gerade erst gewann der Film den Katholischen Medienpreis.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Mit dem im Titel genannten Treffen ist eine Veranstaltung gemeint, die in einem Hotel an einem See in der Nähe von Potsdam im November 2023 stattfand und rechtsradikale “Vordenker” versammelte. Der Öffentlichkeit bekannt wurde die eigentlich als “privat” geplante konspirative Veranstaltung durch Recherchen des gemeinnützigen Medienunternehmens Correctiv.
Der Dokumentarfilm von Volker Heise beleuchtet das Treffen und die dort ventilierten Pläne zur “Remigration”. Dabei greift er weitgehend die Recherchen von Correctiv zurück und greift auch einige Kontroversen um den Artikel, in dem Correctiv das Treffen publik machte, auf, ohne die Ergebnisse selbst zu bewerten. Ein Film, der zur Wachsamkeit gegenüber den Methoden gesellschaftlicher Einflussnahme der neuen Rechten mahnt. “Masterplan” wurde gerade erst mit dem Katholischen Medienpreis ausgezeichnet.
Selten hat ein einziger Medienbeitrag eine solche Wirkung entfacht wie die im Januar 2024 veröffentlichte Reportage “Geheimplan gegen Deutschland” des Recherche-Netzwerks Correctiv. In den folgenden Tagen und Wochen gingen Hunderttausende deutschlandweit auf die Straße, es kam zu einer Aktuellen Stunde im Bundestag. In der Folge brandete die Debatte um ein AfD-Verbot wieder auf, es kam zu Parteiordnungsverfahren in der CDU, Unternehmen und Parteien trennten sich teilweise von Mitarbeitern, die an der bald als “Potsdamer Treffen” postulierten Runde teilgenommen hatten.
Einige Teilnehmer des Treffens, allen voran der Anwalt Ulrich Vosgerau, selbst Mitglied der CDU, gingen presserechtlich gegen den Artikel und die sich anschließende Berichterstattung anderer Medien vor. Laut den bislang ergangenen Urteilen sind bestimmte Darstellungen nicht zulässig, dies berührt jedoch nicht den Kern der Berichterstattung.
Das erhärtet auch die ARD-Doku “Masterplan – Das Potsdamer Treffen und seine Folgen”, die gerade erst mit dem Katholischen Medienpreis ausgezeichnet wurde. Der Dokumentarfilmer Volker Heise vollzieht hier so akribisch wie überzeugend die damaligen Rechercheschritte nach. Dazu dient ihm das seinerzeit von Correctiv mit der Unterstützung von Greenpeace gefilmte Material, das in seiner Novembernebeloptik einem Politthriller entsprungen zu sein scheint – und so gleich weiteren Anlass zu Spekulationen geben könnte. Allein: Es war so, und die Villa Adlon, in der das Treffen stattfand, ist nun mal ein Haus am See.
Zu Wort kommen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dem Treffen, die sich äußern wollten. Nur einer, ein ehemaliger Mitarbeiter des Hotels, spricht anonym. Alle anderen direkt in die Kamera von Volker Heise. Und es ist atemberaubend, Vosgerau zuzuhören, wie er die angenehme Atmosphäre im Hotel und das gute Essen schildert. Den vom Organisator des Treffens, dem früheren Zahnarzt Gernot Mörig, laut Einladung erbetenen Mindestbeitrag von 5.000 Euro habe er nicht bezahlt, “nur das Zimmer”, sagt Vosgerau und gibt den Biedermann, der hier lediglich aus (politischem?) Interesse einer interessanten Zusammenkunft gelauscht hat.
Dass es bei den Vorträgen und Diskussionen Ende November 2023 um genau die Themen ging, über die Correctiv berichtetet und die die Menschen auf die Straße brachten, erläutert dann der Kopf der Identitären Bewegung, swe Österreicher Martin Sellner, höchstselbst: Ja, es ging um Remigration. Und wie drastisch und massiv Sellner hier seinen “Masterplan” durchsetzen will, belegt ein anderer in der Doku gezeigter Auftritt vor anderem Publikum in schönster Deutlichkeit. Sellner war in Potsdam einer der Hauptredner, Vosgerau erinnert sich im Film an einen “angenehmen, interessanten Austausch”.
Dazu kommen eine Frau, die früher von ihren Eltern zu Lagern des Bundes Heimattreuer Jugend (BHJ) beziehungsweise dessen Nachfolgeorganisationen mitgenommen wurde und heute aus der Szene ausgestiegen ist. Von ihr erfährt man viel über die Hintergründe des Mannes, der nach Potsdam eingeladen hatte: Gernot Mörig war lange ein maßgeblicher Akteur der BHJ, wie der Film durch Aufnahmen aus solchen Lagern aus den 1970er Jahren belegt. Jetzt wollte er aber offenbar nicht mit Heise und seinem Team sprechen, dass sich nach eigenen Angaben bemüht hat, alle Teilnehmer des von ihm organisierten Treffens vor die Kamera zu bekommen. Mörig erklärte aber laut einer schriftlichen Einblendung am Ende des Films, er habe seit 45 Jahren mit dem BHJ und der gesamten Bewegung nichts mehr zu tun.
Heise besuchte sogar den Zahnarzt, der Mörigs Praxis in Düsseldorf übernommen hat und es bis heute mit Kritikern wie Bewunderern Mörigs zu tun bekommt. Und natürlich kommen auch die Kritiker der Correctiv-Reportage aus dem Journalismus vor, etwa der Gründer des medienkritischen Portals Übermedien, Stefan Niggemeier. Dieser hatte gemeinsam mit anderen Autoren im Juli 2024 geschrieben, der Text sei “misslungen, das Verhalten von Correctiv nach der Veröffentlichung fragwürdig und die Berichterstattung vieler Medien eine Katastrophe”. Die Recherche habe keine Preise, sondern Kritik und endlich eine “echte Debatte” verdient.
Eine Debatte, zu der Heise mit seinem Film verdienstvoll und differenziert beiträgt. Das Ergebnis bleibt indes bestehen: Sicherlich gibt es kleinere Mängel. Doch Recherche wie Reportage haben Bestand. Das bestätigt zum Schluss auch Martin Sellner, der natürlich die Enthüllungen von Correctiv gleich in seinem Sinne vereinnahmt: “Kompliment”, sagt Sellner – es sei genau das gewesen, “was der linke Zeitgeist in diesem Moment gebraucht hat, wonach er sich gesehnt hat. Aber zugleich auch: Vielen Dank. In dieser ganze aufgeblähten Erzählung hat man am Ende einen Begriff millionenfach bekannt gemacht und damit nach meiner Sicht einen Prozess noch beschleunigt.”
Und so endet “Masterplan – Das Potsdamer Treffen und seine Folgen”, der sicher zu den stärksten Filmen des Jahres 2025 gehört, dann konsequenterweise auch mit der Bundestagswahl im Februar, bei der die AfD deutschlandweit zweitstärkste Kraft wurde.