Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung des 1945 im Arnsberger Wald verübten Massakers an osteuropäischen Zwangsarbeitern vorgelegt. Die durch SS- und Wehrmachtssoldaten begangenen Morde gehörten zu den schwerwiegendsten Verbrechen in der Endphase des Zweiten Weltkrieges im damaligen Deutschen Reich, erklärte der LWL am Montag in Münster. Bei seinen Forschungen habe der LWL-Historiker Marcus Weidner auch auf die Erkenntnisse aus archäologischen Grabungen in der Region zurückgreifen können.
Die aus Polen und der Sowjetunion stammenden Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter – Erwachsene, Jugendliche und Kinder – sind nach LWL-Angaben zwischen dem 21. und 23. März 1945 bei Warstein, Suttrop (Kreis Soest) und Eversberg (Hochsauerlandkreis) erschossen worden. Die Leichen seien mit den persönlichen Gegenständen der Opfer von Wehrmacht und SS im Wald verscharrt worden. Die menschlichen Überreste wurden von den Alliierten nach Kriegsende umgebettet – viele Gegenstände aber im Boden zurückgeblieben.
In seinem knapp 1.000 Seiten starken Buch „Die Toten von Meschede“ arbeitet der Historiker Weidner nicht nur die Taten an sich, sondern auch den Umgang mit der Erinnerung daran auf. So sei etwa der als Mahnmal errichtete „Warsteiner Obelisk“ 1964 im Zuge der Umbettung der Toten nach Meschede umgestürzt und vergraben worden – das Wort „Mord“ habe man bereits zuvor aus der Inschrift herausgemeißelt. Auch ein an der Stelle errichtetes christliches Kreuz sei entfernt worden.
Obwohl Tausende Menschen von der Tat erfahren hatten, habe sich vor Ort kein kollektives Gedenken entwickelt, erläutert Weidner. Der Historiker beschreibt laut der Mitteilung eine „Schlussstrich-Mentalität“. Ein bundesweit Aufsehen erregender Gerichtsprozess in den 1950er-Jahren habe mit schon damals als „skandalös niedrig“ empfundenen Strafen geendet. Weidner habe nun unter anderem die Verantwortung des damaligen Warsteiner Bürgermeisters ebenso wie einzelner Täter untersucht.
Das neue Buch gebe künftigem Erinnern und Gedenken eine „solide historische Basis“, hieß es weiter. Auch einige Angehörige von Ermordeten erhielten durch die Forschung Gewissheit. Inzwischen kenne man 73 Namen der Getöteten, sagte Weidner.
Der Direktor des Landschaftsverbandes, Georg Lunemann, erklärte, man erlebe seit einigen Jahren die Verharmlosung der Verbrechen des Zweiten Weltkriebes und der NS-Diktatur. Die Mordaktionen im Arnsberger Wald seien „beispielhaft für einen schmerzlichen Teil unserer Geschichte“. Dem müsse man sich stellen, mit Blick auf das Kriegsende vor 80 Jahren, aber auch mit Blick auf Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit heute, verlangte Lunemann.