Das Thema gärt schon den ganzen Sommer über vor sich hin. Im Anbaugebiet Pfalz soll es künftig keine Weinkönigin mehr geben. Kritikern schmeckt das ganz und gar nicht.
Es könnte ein heißer Herbst in der Pfalz werden. Am 4. Oktober soll in Neustadt an der Weinstraße ein neues Team die Pfälzische Weinkönigin Charlotte Weihl und deren Weinprinzessinnen Laura Götze und Hanna Spies beerben. Die neuen “PfalzWeinBotschafter”, der Name lässt es bereits erahnen, werden sich allerdings weder mit einer Krone noch einem Adelstitel schmücken dürfen – und müssen nicht zwingend weiblich sein. Ausgerechnet in der Pfalz, wo 1931 mit Ruth Bachroth aus Pirmasens die erste Weinkönigin überhaupt gekürt wurde.
Die Volksseele, oder zumindest ein Teil von ihr, schäumt. “Bewahren Sie das Amt und den Titel der Pfälzischen Weinkönigin” fordert seit Mitte Juli eine Online-Petition auf der Plattform change.org. Fast 6.400 Unterzeichner schlossen sich bislang diesem Anliegen an. Die “Bild”-Zeitung zitierte am vergangenen Wochenende Neustadts Oberbürgermeister Marc Weigel (FWG) mit den Worten: “Ich bin kein Anhänger der Monarchie, aber das Glamouröse und Märchenhafte gehört zur Figur. Das lässt sich nicht so einfach auf einen Mann übertragen, nur weil man sagt, wir leben in einer gleichberechtigten Gesellschaft und alles muss allen Geschlechtern offenstehen.”
Der Vorsitzende des für die Wahl der Markenbotschafterinnen und -botschafter verantwortlichen Vereins Pfalzwein, Boris Kranz, kann den Wirbel nicht ganz nachvollziehen: “Einerseits möchte man als moderne Weinregion wahrgenommen werden, kettet sich andererseits aber an Traditionen.” Alles also nur ein Sturm im Wasser- beziehungsweise Weinglas?
Schützenhilfe erhielt Kranz jedenfalls aus berufenem Munde, von einer ehemaligen Weinkönigin und Chefredakteurin des “Sommelier”-Magazins. “Willkommen im Jahr 2024!”, rief die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Julia Klöckner, via “Die Rheinpfalz” den Kritikern zu. “Wir reden in der Gesellschaft über mehr Gleichberechtigung – warum sollte das Ganze bei dem Amt der Weinkönigin haltmachen?”, fragte die CDU-Politikerin.
Vielerorts jedenfalls sind die Dinge im Fluss, wie etwa die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” herausgefunden hat: So zeige sich Rheinhessen, Deutschlands flächenmäßig größtes Anbaugebiet, grundsätzlich offen für Veränderungen. Zwei Damen und ein Herr stehen am 14. September in Ingelheim als neue Majestäten zur Wahl. Laura Schlösser und Katja Klemmer würden ganz klassisch mit Krone zur Weinkönigin geadelt, schreibt die Zeitung. Falls sich Levin McKenzie durchsetze, “wird es halt ein Weinkönig sein, der dann – was derzeit noch als Geheimsache behandelt wird – eigene, aber ‘zum Amt passende’ Insignien erhalten soll”.
Das Deutsche Weininstitut, das den Titel der “Deutschen Weinkönigin” vergibt, will bis auf weiteres kein neues Fass aufmachen. “Wir sehen in der Deutschen Weinkönigin eine seit nunmehr 75 Jahren bestehende Marke, die von unserer Seite kontinuierlich weiterentwickelt wird”, sagte ein Sprecher des im rheinland-pfälzischen Bodenheim ansässigen Instituts der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Was die Bewerbung männlicher Kandidaten zur Wahl der Deutschen Weinkönigin betreffe, “wäre dies möglich”, fügte der Sprecher hinzu. “Die Wahlrichtlinien wurden bereits im vergangenen Jahr dahingehend geändert.” Bei dem am Dienstag startenden Vorbereitungsseminar zur diesjährigen Wahl der Deutschen Weinkönigin geht es allerdings ganz klassisch zu. Es treffen sich ausschließlich Kandidatinnen aus zwölf Anbaugebieten.
Deutschland droht also vorerst keine Monarchendämmerung. Das wäre auch schwer möglich angesichts der 147 “KönigInnen & Majestäten” die auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft Deutsche KönigInnen gelistet sind – von der Deutschen Bernsteinkönigin in Mecklenburg-Vorpommern bis zur Bayerischen Mehlkönigin.
Marketing für die Region geht freilich auch ganz ohne Krone und Titel. Aufmerksame Besucher des Spreewälder Gurkentags werden an diesem Wochenende bemerkt haben, dass wie im vergangenen Jahr auch kein Spreewälder Gurkenkönigspaar gekrönt wurde. “Das findet nicht mehr statt und steht auch aktuell nicht zur Debatte”, sagt eine Sprecherin auf Anfrage der KNA. Der Gurkentag solle stattdessen “ein genussvolles Schaufenster regionaler Produkte” sein.
Einen Ausweg aus der Titeldiskussion bietet möglicherweise das schleswig-holsteinischen Dithmarschen. Dort werden alle zwei Jahre “Kohlregentinnen” und nicht etwa “Kohlprinzessinnen” oder “Kohlköniginnen” gekürt, wie der NDR im vergangenen Herbst berichtete. “Im Mittelalter war Dithmarschen eine Bauernrepublik. Damals trafen die Oberhäupter der reichen Dithmarscher Bauernfamilien – die Regenten – gemeinsam die wichtigen Entscheidungen.”