Fabeltiere sprechen, Hexen planen Böses, Prinzen retten junge Mädchen und Abenteurer ziehen durch die Welt. Märchen begleiten Menschen seit mehreren tausend Jahren. Erzähltraditionen gibt es weltweit.
Hänsel und Gretel, Rotkäppchen und Aschenputtel: Diese Märchen werden bis heute in deutschen Kinderzimmern vorgelesen und waren Vorlage zahlreicher Filme – für das DDR-Fernsehen wie für aufwendige Disney-Produktionen. Aufgeschrieben haben sie die Brüder Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) und erstmals 1812 veröffentlicht. 1830 erschienen die ersten Märchen von Hans Christian Andersen – dem bis heute wohl berühmtesten Dänen – in gedruckter Form. Zu seinen bekanntesten Werken zählen Die kleine Meerjungfrau, Die Prinzessin auf der Erbse oder Des Kaisers neue Kleider.
Die Ursprünge einiger der Grimmschen Geschichten – Andersen verfasste viele Erzählungen selbst – sind laut einer 2016 veröffentlichten Untersuchung aber weitaus älter. So könnte das Märchen “Der Schmied und der Teufel” schätzungsweise 6.000 Jahre alt sein und aus der Bronzezeit stammen, schreiben der Anthropologe Jamshid J. Tehrani und die Völkerkundlerin Sara Graça da Silva. Für ihre Studie untersuchten sie Verbindungen zwischen 275 indoeuropäischen Märchen aus aller Welt.
Märchenhafte Inspiration brachten beispielsweise Kreuzfahrer und Kaufleute nach Europa, denn auch in Fernost und dem Vorderen Orient gibt es eine lange Erzähltradition. Bekannt ist etwa Sindbad der Seefahrer, eine Erzählung aus Tausendundeiner Nacht.
Auch auf dem afrikanischen Kontinent werden Märchen erzählt. Häufig sind Tiere die Hauptpersonen, die unabhängig von der Gattung miteinander zanken, debattieren und philosophieren. Ähnlich wie bei den Grimmschen Märchen finden die Cleveren Auswege aus schier ausweglosen Situationen; das Gute siegt.
Anders als in Europa werden diese Märchen aber erzählt, weniger vorgelesen. In Westafrika zogen dafür früher Griots – sie waren oft Geschichtenerzähler, Sänger und Musiker in einer Person – von Dorf zu Dorf, das sich abends für die Darbietung auf dem Dorfplatz versammelte. Heute versuchen verschiedene Projekte, an diese Tradition anzuknüpfen.
Eigene Märchen bietet die Zauberwelt von Harry Potter. Schon im magischen Alltag erinnert so einiges an die Jahrhunderte alten Geschichten. Kleine Zauberer wachsen mit den “Märchen von Beedle dem Barden” auf – also Märchen im Märchen.