Der Ex-Gewerkschaftsführer Lula da Silva wollte seine politische Karriere mit der dritten Amtszeit krönen. Doch zur Hälfte des Mandats fällt die Bilanz enttäuschend aus.
Seit Monaten befindet sich die Popularität der Regierung von Luiz Inacio Lula da Silva im Sinkflug. Nun bestätigen mehrere Umfragen, dass erstmals eine Mehrheit ihrem Präsidenten ein schlechtes Zeugnis ausstellt. Und das, obwohl die Wirtschaftsdaten positiv sind. Doch angesichts hoher Lebensmittelpreise und mangelnder Sicherheit sind vor allem die ärmsten Brasilianer von “Lulas” dritter Amtszeit enttäuscht.
Der 79 Jahre alte Linkspolitiker hat damit Zuspruch in einer Wählerschicht verloren, die ihm in seiner 40-jährigen politischen Karriere stets treu war. Laut dem Institut Quaest sehen insgesamt 49 Prozent der Befragten Lulas Leistung negativ, 47 Prozent dagegen positiv. Erstmals in seiner im Januar 2023 gestarteten dritten Amtszeit ist die Ablehnung höher als die Zustimmung. Noch deutlicher ist die Bewertung seiner Regierung: Negative überwiegt die positive Bewertung mit 37 zu 31 Prozent.
Dabei ist die Wirtschaft 2024 um rund 3 Prozent gewachsen; 2025 sollen es mehr als 2 Prozent werden. Und mit 6 Prozent ist die Arbeitslosigkeit so niedrig wie nie zuvor. Doch eine Mehrheit sieht die Entwicklung des Landes trotzdem negativ. “Lula hat zu hohe Erwartungen geweckt – und erntet nun Frustration”, sagt der Leiter des Quaest-Instituts, Felipe Nunes.
Der Journalist Ricardo Kotscho stellt ein “generelles Unwohlsein ohne ersichtlichen Grund” fest, das durch Soziale Medien befeuert werde. “Wer dort schaut, gewinnt den Eindruck, dass die Welt untergeht”, sagte Kotscho dem Portal UOL. Die negative Befindlichkeit ähnele der Situation unter Ex-Präsident Joe Biden in den USA.
Der aus dem armen Nordosten stammende Lula war Ende 2002 als erster Arbeiter überhaupt zum Präsidenten gewählt worden. Seine Sozialprogramme befreiten Millionen Brasilianer aus der Armut, so dass er 2006 wiedergewählt wurde. 2010 schied er mit einer Zustimmung jenseits der 80-Prozent-Marke aus dem Amt.
Doch in die Regierungsjahre seiner Arbeiterpartei fielen zahlreiche Korruptionsskandale. Lula selbst musste 2018 für eineinhalb Jahre ins Gefängnis. Später wurden die Urteile wegen Verfahrensfehlern annulliert. Doch besonders im konservativen Bürgertum hängt ihm weiter der Ruf von Korruption an. Trotzdem gewann er Ende 2022 die Wahl gegen den rechtspopulistischen Amtsinhaber Jair Messias Bolsonaro knapp.
Für seine dritte Amtszeit versprach Lula eine Rückkehr früherer Sozialprogramme. Zudem sollte die unter Bolsonaro vernachlässigte Umweltpolitik wieder stärker in den Fokus rücken. Kritiker werfen Lula jedoch vor, seither den Fokus zu sehr auf die Außenpolitik gelegt zu haben. Dabei scheiterten Lulas diplomatische Initiativen im Ukraine-Krieg; seine propalästinensische Haltung im Gaza-Konflikt führte zu einem diplomatischen Eklat mit Israel.
Gleichzeitig verlor Lula die heimische Wirtschaft aus den Augen. Mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl 2026 erhöhte er die Ausgaben, was die Währung Real abstürzen ließ und dadurch die Inflation anheizte. Zwar unterstützt ihn seine traditionelle Wählergruppe – untere Einkommensschicht, niedrige Bildung – weiter mehrheitlich, genau wie seine Heimatregion, der arme Nordosten. Doch die Tendenz ist rasant negativ.
So erklärte die – Lulas Arbeiterpartei PT angehörende – Gouverneurin des armen Teilstaates Rio Grande do Norte, Fatima Bezerra, die Unterstützung des Nordostens für Lula bei den Wahlen 2026 sei “nicht garantiert”. Die Regierung müsse dringend präsenter vor Ort sein, sagte sie den Medien. So leide das Ansehen der Regierung in Lulas Hochburg besonders unter den starken Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Offiziell lagen diese mit 8 Prozent über der durchschnittlichen Inflation von 5 Prozent.
Allerdings sind die Preise für zentrale Produkte fast explodiert: Orangen um bis zu 90 Prozent, Kaffee um 40 Prozent, Speiseöl um 30 Prozent und Rindfleisch um bis zu 25 Prozent. Kabinettschef Rui Costa riet den Bürgern, statt der teuren Orangen eben andere Früchte zu essen – ein Vorschlag, der für Spott und Wut sorgte. Zumal in Brasilien produzierte Lebensmittel im Ausland günstiger sind als daheim. Die Regierung prüft nun, Importzölle auf Lebensmittel zu senken.
Der Fauxpas von Lulas Kabinettschefs ist kein Einzelfall. Die PR-Maschine der Regierung leistet sich immer wieder Fehler, die von der Opposition ausgenutzt werden. So geriet die Ankündigung, härter gegen Steuerhinterziehung bei digitalen Geldtransfers zu agieren, zum Desaster. Obwohl die Maßnahme eher auf wohlbetuchte Bürger abzielt, verfingen Warnungen der Opposition, dass Lula es in Wahrheit auf das Portemonnaie des kleinen Mannes abgesehen habe.
“Erstmals überhaupt versucht die Opposition, Lulas Image des ‘Vaters der Armen’ zu zerstören”, sagt der Journalist Octavio Guedes vom Medienkonzern Globo. Habe man Lula früher vorgeworfen, den Armen stets zu viel Geld zu geben, was diese dann für Alkohol ausgäben – so werfe man ihm nun vor, gegen die Interessen der Armen zu agieren. Das liege auch daran, dass Lula bislang kein Narrativ für seine dritte Amtszeit gefunden habe, so Guedes. Beobachter glauben, dass Lula 2026 nur dann noch einmal antritt, wenn seine Umfragewerte einen Sieg voraussagen.